Ansichtssache

Autor*in
Ellis, DeborahWalters, Eric
ISBN
978-3-7026-5809-0
Übersetzer*in
Rapp, Brigitte
Ori. Sprache
Englisch (kanadisch)
Illustrator*in
Seitenanzahl
216
Verlag
Jungbrunnen
Gattung
Ort
Wien
Jahr
2009
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
16,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

An einer kanadischen Highschool werden zwei islamische Schüler von der Polizei aus dem Unterricht geholt wegen des Vorwurfs zu einer terroristischen Gruppe zu gehören. Während die Gerüchteküche nicht nur in der Schule brodelt, wird wechselnd aus der Sicht von Jay, einem Mitglieds des Footballteams, und aus der von Haroon aus einer afghanischen Akademikerfamilie erzählt. Haroons Schwester solidarisiert sich mit dem muslimischen Mitschüler, Jay folgt zunächst den Aktionen seines Footballkapitäns.

Beurteilungstext

Die beiden Schüler Jay und Haroon sind beide Schüler der elften Klasse und kennen sich nur aus einem Kurs. Jay ist der dritte Mann im Footballteam. Er kommt aus einer Kleinstadt und ist froh, im Team Freunde und seinen anerkannten Platz in der neuen, sehr viel größeren Schule gefunden zu haben. Er orientiert sich stark am Gruppenzwang des Teams, akzeptiert den Anführer Kevin trotz dessen manchmal recht gewalttätiger Ansichten und Verhaltensweisen. In seinen Erzählpart lassen die Autoren einfließen, wie die Schüler dieser großen Zentralschule in einzelne Gruppierungen auseinanderfallen: nach Hautfarben, Herkunft, Kleidung u.ä. (S.27f.) In der Schule gibt es verschiedene Ethnien, die im Footballteam jedoch keine Rolle zu spielen scheinen. Dennoch wirkt Kevin in seiner Ablehnung der “Braunen” wie ein Rassist, was durch die Sprüche des “halbschwarzen” Spassmachers Steve kaum gemildert wird. Wie sich am Halloween-Abend zeigt, richtet sich Kevins Aggressivität - und der von ihm angeführten Gruppe - zunächst gegen einen unbeliebten Footballcoach, einen unbeliebten Lehrer, erst später führt er die angetrunkene und aufgepeitschte Gruppe zum Haus von Haroons Eltern, weil er sich von Haroons Schwester Zana beleidigt fühlt, und richtet dort ziemlichen Schaden an. Das Erschrecken über diesen Angriff führt bei Jay zum Umdenken, das jedoch nur noch in der Schlußszene angedeutet wird.
Haroon wird von anderen als ruhiger, besonnener und stiller Mitschüler geschildert, der seinen Intellekt im Quizz-Kurs von Ms. Singh nur zu gern trainiert. Im Zusammenspiel mit seiner so ganz anders gearteten Zwillingsschwester Zana und seinen Eltern wird die liebe- und vertrauensvolle Atmosphäre innerhalb der akademisch aufgeklärten Familie geschildert. Erst der Streit um Zana, die sich nach der Festnahme des muslimischen Schülers durch das Tragen eines Ganzkörperschleiers mit anderen Muslimen solidarisiert, splittet die Familie.
Die Szenen aus der Schule geben einen sehr lebendigen Eindruck vom Schulleben, den Umgang miteinander und von den Spannungen zwischen den Gruppen, besonders von der Dominanz des Footballteams, dessen Korpsgeist und körperliche Präsenz sehr stark wirken. Ms. Singh, die Lehrerin in Haroons Quizz-Kurs, scheint in ihrer Engagiertheit und Lebendigkeit ein Abbild der Autorin Ellis zu sein - wenigstens habe ich sie mir bisher so vorgestellt.
Auch die Beeinflussung der Öffentlichkeit nach den Terrorattacken des 11. Septembers u.a. wirken sehr realistisch, wenn Jay mit seiner Mutter den Polizeieinsatz in der Schule im Fernsehen betrachtet.
Das Ende läßt vieles offen: Jay denkt um, sucht bewußt in der Kantine den Kontakt zu Haroon statt sich zu Kevin zu setzen; aber der Mitschüler sitzt immer noch in Untersuchungshaft, Haroon ist der Polizei immer noch verdächtig, seine Schwester trägt immer noch die Burka. Mit dem Gespräch zwischen Haroon und Jay und ihrem Treffen in der Kantine scheint eine Wende eingeleitet zu sein. Aber die Szene wirkt aufgesetzt.
Die Sprache des Buches ist überwiegend leicht lesbar. Kursiv gedruckte Begriffe werden im Anhang verständlich erklärt. Der Text wird durch die inneren Monologe der beiden Hauptpersonen bestimmt, die immer wieder durch wörtliche Rede aufgelockert werden.
Leider sind der Übersetzerin einige sprachliche Schnitzer unterlaufen, die ärgerlich sind und kaum nur aus dem Österreichischen zu erklären sind (falsche Satzbaukonstruktionen, falscher Plural bei Furz!, ein altertümliches “heurig”, wiederholt Bewerb statt Wettbewerb, die Jungens bremsen sich wiederholt ein! ). Was einfach nicht sein darf, ist der Patzer S.21, als sich Haroon der Polizei gegenüber als Perser (!) bezeichnet, während aus allen folgenden Passagen deutlich wird, dass seine Familie aus Afghanistan stammt. Es kann sich hierbei auch nicht um einen Versprecher von Haroon handeln. Ein Hinweis, dass es in Afghanistan auch persisch (Farsi?) sprechende Menschen gibt, fehlt, reicht im Zusammenhang dieser Szene jedoch nicht als Erklärung.
Sicher regt das Buch zur Diskussion in der Klasse an. Gerade die offen ausgesprochenen Vorurteile und Zusammenstöße, die Schilderung des Schulalltags legen eine Überprüfung der eigenen Standpunkte nahe. Durch die Figur Zanas wird auch Mädchen eine Zielfigur der Leseridentifikation angeboten, die sicher viel Widerspruch in diesem sonst von Jungen dominierten Buch hervorrufen wird.


Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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