Walking home. Der lange Weg nach Hause.

Autor*in
Walters, Eric
ISBN
978-3-86873-926-8
Übersetzer*in
Loose, Annika
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
286
Verlag
Knesebeck
Gattung
Ort
München
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nach einem brutalen Überfall auf ihr Dorf in Kenia, ist der Vater des 13jährigen Muchoki und seiner 8jährigen Schwester Jata ums Leben gekommen und die Familie ist auf der Flucht. Nachdem im Flüchtlingslager auch die Mutter stirbt, machen sich die Kinder zu Fuß auf den gefährlichen Weg quer durchs Land zu den letzten lebenden Verwandten. Muchoki ist ein besonnener, fürsorglicher und liebevoller großer Bruder, der Jata aufopferungsvoll beschützt.

Beurteilungstext

Eric Walters erzählt die Geschichte der beiden Waisenkinder aus der Perspektive des älteren Bruders Muchoki - sein Name bedeutet übrigens "derjenige der zurückkehrt". Muchoki ist ein starker Junge, der durch den Tod des Vaters in den Flammen einer niedergebrannten Kirche im Heimatdorf der Familie für die todkranke Mutter und seine kleine Schwester eine große Verantwortung übernehmen muss.
Die schrecklichen Erlebnisse verfolgen ihn in seinen Träumen, aber er muss seine Ängste und Sorgen bezwingen, damit er handlungsfähig bleibt und zunächst im Flüchtlingslager die Versorgung der Mutter und Schwester und dann auf dem langen Weg durchs Land das Überleben von Jata und sich selbst zu sichern. Muchoki denkt sehr viel nach und überlegt immerzu, welche Entscheidung in der jeweiligen Situation die Richtige ist. Vor Jata verheimlicht er seine inneren Zweifel und die Mutlosigkeit, die ihn immer mal wieder packt. Die Kinder wissen nicht, wie weit der Weg ist, auf welchen Wegen sie am besten gehen, wann und wie sie sich mit dem notwendigen Wasser und Lebensmitteln versorgen können und schon gar nicht, ob sie bei den Verwandten überhaupt willkommen sind.
Für Jata will und muss Muchoki mutig und optimistisch sein. Dazu ein Zitat - es ist die Nacht vor der Flucht aus dem Lager. Nach dem Tod der Mutter droht die Trennung der Geschwister durch die Einweisung in verschiedene Heime: "Jetzt musste sie ... spüren, dass ich stark war, dass ich alles unter Kontrolle hatte. Sie konnte nur daran glauben, wenn ich daran glaubte... oder zumindest so tat. ... Innerlich hatte ich panische Angst ... Ich musste handeln. Welche Wahl hatten wir denn? Wenn es keine Hoffnung gibt, ist ein kleiner Schimmer besser als nichts. Und außerdem beginnt auch die längste Reise mit dem ersten Schritt. So war es nun einmal." (S. 111) Mit diesem Pragmatismus, aber auch der fröhlichen und direkten Art der kleinen Schwester, die in einigen brenzligen Situationen zur Entspannung wesentlich beiträgt, schaffen es die Kinder tatsächlich nicht nur die unwegsame Wildnis des Landes (z.B. durch die Begegnung mit einem ausgewachsenen Löwen), sondern auch die Gefährdungen der Großstadt Nairobi durch die vielen entwurzelten und z.T. in heftige Stammesrivalitäten verstrickten Menschen weitgehend wohlbehalten zu überstehen und heil anzukommen. Wichtig für das Durchstehen des langen Weges ist aber auch die Vorstellung eines immer sichtbaren Bandes, eines Fadens, der ihnen den Weg gezeigt hat. Dieser Faden kommt in einer Geschichte der Mutter vor und Jata hat immer fest daran geglaubt, dass er existiert und ihnen den Weg weist.
So endet diese beeindruckende Geschichte mit dem Wiedersehen mit der Familie der Mutter. Der Großvater entrollt einen Faden und sie gehen gemeinsam "zu unserem Haus. Wir gehen nach Hause." (S. 285)
Eric Walters ist ein sozial engagierter kanadischer Schriftsteller, der in seine Erzählungen, von denen nur einige ins Deutsche übersetzt sind, gekonnt Fiktion und Realität verwebt. Z.B. erzählt er in seinem Jugendroman "We all fall down" von 9/11 aus der Perspektive von Will, der seinen Vater gerade an diesem Tag im Jahr 2001 zu einem Praktikum in den Zwillingstürmen begleitet.
Walters engagiert sich seit Jahren für kenianische Waisenkinder und verbringt viel Zeit in Kenia. 2011 ist er selbst, gemeinsam mit acht Jugendlichen (vier kenianischen Waisenkindern, vier jungen Kanadier) und einem Freund die Strecke von fest 200 Kilometern gelaufen. Auf dieser Reise hat er viele Interviews geführt, gefilmt, Fotos gemacht und sich Notizen gemacht, damit er seine Protagonisten so hautnah wie möglich gestalten konnte oder wie er es sagt "in die Schuhe meiner Protagonisten zu versetzen. Schließlich heißt es, wenn man jemanden wirklich kennen lernen will, dann muss man eine Meile in dessen Schuhen laufen." (S. 286)
Walters Geschichte beeindruckt, berührt und fesselt zugleich - man ist als Leser wirklich mit den Kindern unterwegs, fürchtet sich im Dunkeln, fühlt den kalten Boden im Unterschlupf, ist hungrig, genießt die unerwarteten Orangen eines hilfsbereiten Bauern, fühlt die müden Beine und Füße und leidet mit Muchoki, wenn alles ganz aussichtslos scheint.
Hier und da gibt es ein paar Längen - vor allem im ersten Teil, der im Flüchtlingslager spielt. Die eigentliche Reise der Geschwister beginnt etwa in der Mitte des Buches.
Begleitend zum Roman gibt es eine homepage www.walkinghome-buch.de. Dort gibt es eine Fülle von Zusatzmaterialien - der Autor liest selbst, Videos, weiterführende Links, Karten, Fotos, Anmerkungen und weiterführende Informationen und Links zu verschiedenen Aspekten des Buches (z.B. zu den Ethnien und Sprachen in Kenia). Im Buch sind diese mit Symbolen gekennzeichnet, so dass man weiß, dass es an dieser Stelle zu einer Figur, einem Ereignis oder einer Textpassage etwas Ergänzendes gibt. Allerdings sind fast alle Materialien in englischer Sprache.


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Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.07.2016

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