Zeit der Lügen

Autor*in
Hesse, Monica
ISBN
978-3-570-31430-2
Übersetzer*in
Stoll, Cornelia
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
400
Verlag
cbj/cbt
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
KlassenlektüreFreizeitlektüre
Preis
10,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die beiden Protagonistinnen – die 17-jährige Japanerin Haruko aus Colorado und die 16-jährige Margot aus Iowa mit deutschen Wurzeln begegnen sich im Kriegsjahr 1944 in einem US-Internierungslager in Texas. Zwischen ihnen entspinnt sich eine innige Freundschaft, die aber bald durch Misstrauen und Verdächtigungen auf eine harte Probe gestellt wird.

Beurteilungstext

Die Autorin hat die Hintergründe zu ihrem Jugendroman sorgfältig recherchiert. Der Lageplan zu den Einrichtungen des beschriebenen Internierungslagers ist im Vorsatz enthalten, zum Ende des Romans gibt sie einen Einblick zur „historischen Genauigkeit“ des Dargestellten. Das während des Zweiten Weltkriegs betriebene Familien-Lager der USA im Bundesstaat Texas - „Crystal City“ - ist in Europa wenig bekannt geworden. In diesem wurden US-Bürger mit deutschen Wurzeln – häufig als „Nazis“ denunziert – und später auch Japaner, die der Spionagetätigkeit bezichtigt wurden, festgesetzt.

Hier begegnen sich die beiden Mädchen Margot und Haruko mit deutschen bzw. japanischen Wurzeln, die mit ihren Familien eingewiesen wurden und zunächst den Grund dafür nicht kennen. Die bedrückende Wirklichkeit des Lagerlebens wird in diesem Buch sehr überzeugend geschildert. Die Vorstellung in ein „Gefängnis“ mit Stacheldrahtumzäunung, Wächtern, nächtlichen Scheinwerfern und täglichen Zählappellen gekommen zu sein, drängt sich den beiden gleichermaßen auf. Es gibt zudem zugewiesene Wohnquartiere für jede Nationalität und Wertmarken für die Wareneinkäufe des täglichen Bedarfs.

Margot hilft – in ihrer nüchternen und sachlichen Art - beim Registrieren der neu ankommenden japanischen Familien. Dabei wird sie magisch angezogen von der etwa gleichaltrigen Haruko und ihrer Familie - mit Mutter und jüngerer Schwester -, die im Rahmen der Familienzusammenführung neu im Lager eintreffen. Als sich bei einem späteren Zählappell ein Staubsturm anbahnt, finden die beiden Mädchen Unterschlupf im „Eishaus“ des Lagers. Sie vertrauen einander ihre Ängste und Sorgen an, die darum kreisen, dass sie den Grund für die Internierung nicht genau kennen und ihn auf Seiten ihrer Väter vermuten. Auch die für die Schwester seltsam klingenden und zum Teil mit geschwärzten Zeilen versehenen Briefe von Harukos Bruder Ken, der in der amerikanischen Armee dient, beschäftigen die Mädchen in weiteren Treffen. Beide sehen sich täglich in der amerikanischen Schule, die Margot zunächst noch besuchen darf. Es entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, die sie vor den anderen Lagerinsassen weitgehend verborgen halten müssen wie auch ihre Treffen im Rückzugsort des Eishauses. Dieser ist für Haruko ein Ort, an dem sie – ohne Rücksicht auf ihre Familie - „sie selbst“ sein kann, für Margot einer, an dem sie „nicht sie selbst sein muss“ (S. 156); so ihre eigene Empfindung.

Abneigung und Rassismus der jeweils anderen Volksgruppe gegenüber werden im Lageralltag offen gezeigt – auch wenn gelegentliche Kontakte existieren. Die Anfeindungen eskalieren, als in dem neu errichteten Schwimmbad ein deutsches und ein amerikanisches Mädchen ums Leben kommen und gegenseitige Schuldzuweisungen eine bedrohliche Situation heraufbeschwören. Harukos Eltern beantragen daraufhin, ihre Tochter bei einer Familie in Colorado unterzubringen - und plötzlich sind die gemeinsam ausgemalten Zukunftsträume für ein Leben mit der Freundin dahin, die tief getroffen und verletzt reagiert als ihr von der veränderten Situation beim Treffen im Eishaus erzählt wird. Nachdem dann dieser Plan der japanischen Familie durch Denunziation bald wieder verhindert wird, ist für Haruko klar, dass nur Margot dahinterstecken kann, die aber nach ihrem eigenen Bekunden mit ihrem Tun weiteres Unheil abwenden wollte. Letztlich bleibt für beide Familien nur die Rücksendung in ihre jeweiligen Herkunftsländer.

Als Ich-Erzählerinnen teilen Margot und Haruko aus ihrer Perspektive das im Lager Erlebte wie auch eigene Gedanken und Gefühle mit, ihre Namen bilden die jeweiligen Kapitelüberschriften. Die Abfolge und Länge der Abschnitte folgen keiner Systematik. Unregelmäßig eingestreut sind auch die in Kursivschrift gesetzten persönlichen Gedanken und Reflexionen, die einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. Sie beleuchten zum Teil das Geschehen; auch wenn es noch gar nicht eingetreten ist. Dies wirkt etwas irritierend, gibt aber andererseits eine „Richtung“ vor für die schwierige Suche der Mädchen nach der eigenen Identität in einer durch Misstrauen und Verleumdungen gekennzeichneten Umgebung. Das große Verdienst des Romans bleibt es, die in Vergessenheit geratene Wirklichkeit der amerikanischen Internierungslager ans Licht gehoben und so anschaulich und plastisch anhand einer fiktiven Geschichte geschildert zu haben, dass sie für Jugendliche heute unmittelbar greifbar wird.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von anei; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 19.10.2022

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