Zeit der Lügen

Autor*in
Hesse, Monica
ISBN
978-3-570-31430-2
Übersetzer*in
Stoll, Cornelia
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
394
Verlag
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
10,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Gab es das wirklich? Internierungslager in den freien USA während des Zweiten Weltkrieges? Wer lebte in diesen Lagern? Wie erging es Jugendlichen an der Schwelle zum Erwachsenwerden dabei? Noch dazu, wenn sie aus verschiedenen Kulturkreisen kamen!

Beurteilungstext

Monica Hesse, die bekannte us-amerikanische Autorin von "Das Mädchen im blauen Mantel" hat einen weiteren spannenden und informativen Jugendroman vorgelegt. Wieder spielt er in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, doch diesmal in den USA. Spannend, da er das Leben in einem US-amerikanischen Internierungslagers aus der Sicht zweier 16-jähriger Mädchen schildert. Haruko stammt aus einer japanischen Familie, die schon lange in den USA lebt und Margot hat deutsche Eltern, ist aber ebenfalls in den USA geboren. Informativ ist der Jugendroman, da er einen nur relativ spärlich bekannten Aspekt der US-amerikanischen Geschichte während des Zweiten Weltkrieges beleuchtet. Selbst an Schulen in den USA ist diese Tatsache nur ein vager Geschichtsstoff.
Hintergrund ist der Immigration Act von 1924, ein Bundesgesetz der USA. Er regelte die Anzahl der Immigranten, die jährlich in die USA einreisen durften. Präsident Calvin Cooldge hat die Einreisequote auf 2% der bereits aus den jeweiligen Ländern stammenden Bevölkerung begrenzt. Die Datengrundlage war allerdings die Volkszählung von 1890. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour und dem Eintritt der USA 1941 in den Zweiten Weltkrieg, wurden alle amerikanischen Staatsbürger japanischer Abstammung als Sicherheitsrisiko eingestuft. Präsident Roosevelt unterzeichnete im Februar 1942 die Executive 9066, die auf dem Immigrant Act von 1924 basiert. Hier wurde festgelegt, dass alle US-Bürger mit japanischen Vorfahren in den westlichen Bundesstaaten in Internierungslager umgesiedelt werden mussten. Gleiches Schicksal hatte auch deutsch- und italienischstämmige Amerikaner betroffen, die in den Oststaaten lebten. Ungefähr 11 000 Deutsche und ca. 3 000 Italiener wurden ebenfalls interniert.
Die Autorin schreibt in ihrem wichtigen Nachwort: "Die Ernährung in diesen Lagern war oft mangelhaft und die Bewohner lebten in überfüllten, armseligen Baracken, in denen sie den rauen Wetterbedingungen ausgesetzt waren." Daneben gab es auch andere Lager, wie z.B. das in Crystal City, in dem dieser Roman spielt. Dieses Lager war für sog. feindliche Ausländer (Deutsche und Japaner) errichtet. Hier wollte die Einwanderungsabteilung der Umsiedlungsbehörde der Welt zeigen, wie "fair" die USA mit ihren Häftlingen umgehe. Es gab Schulen, Sportplätze, Einkaufsmöglichkeiten, ein Schwimmbad, Versammlungshäuser,...
In dem Lager von Crystal City in Texas, weitab anderer Siedlungen, spielt Monica Hesses Roman. Es ist eine fiktive Geschichte, wie sie selber sagt, die aber absolut auf historischen Fakten fußt.
Wir begegnen Haruko, die mit Mutter, Vater und einer jüngeren Schwester im Lager lebt. Ihr älterer Bruder dient bei der US-Armee und kommt kurz zu Besuch. Haruko ist wütend auf ihren Vater, da sie nicht weiß, weshalb sie hier leben müssen. Erst am Ende des Buches erfahren wir von dem Geheimnis, das ihren Vater umgibt. Und da ist Margot, die mit ihrer Mutter zu ihrem Vater in das Lager zieht. Er steht unter dem Verdacht rechten Gruppen anzugehören. Auf alle Fälle ist er zu Hause brutal und schlägt seine Frau, was eventuell auf seine politische Einstellung zurückzuführen ist. Die beiden Mädchen freunden sich vorsichtig an. Da Margot vorerst nicht in die deutsche Schule muss, kann sie Haruko immer in der Schule treffen. Aber was ist, wenn über diese ungewöhnliche Freundschaft geplaudert wird? Welche Konsequenzen hätte das für die Mädchen und für die Familien? So treffen sie sich heimlich im Kühlhaus, reden über Belangloses, über die Schule und auch über ihre Zukunft. Und sie können sich eine gemeinsame berufliche und private Zukunft vorstellen. Der Höhepunkt ist, wenn sie sich ihr zukünftiges Zuhause mit Strohballen und Decken in ihrem Versteck aufbauen. Auch erste sexuelle Kontakte, die aber über ein Berühren der Lippen der Freundin mit dem Finger nicht hinausgeht, werden vorsichtig ausprobiert. Dazwischen ist das Verhalten der Väter gelagert, das beide nicht verstehen, ein schlimmer Badeunfall und dann folgen Ausweisungen aus dem Lager, Rückführungen in ihre angeblichen Heimatländer, also in eine unsichere Zukunft. Doch was wird aus ihrer gemeinsamen Freundschaft?
Was kann ein Lager, so "frei" es sich auch in der Öffentlichkeit zeigt, alles mit den Inhaftierten anstellen? Ein "normales" Leben hinter Stacheldraht und Wachttürmen und Scheinwerfern, die nachts die Häuser abtasten? Ist das möglich? Unsicherheit, Ungewissheit, Misstrauen und Verdächtigungen, Gerüchte und Wunschdenken sind greifbar und allgegenwärtig.
Monica Hesse hat einen wichtigen Roman über ein wenig bekanntes geschichtliches Phänomen geschrieben. Darin bettet sie die Lebenswelten von Jugendlichen ein, die normal sein könnten, wenn psychisch kranke Menschen nicht irgendwo auf der Erde Krieg angezettelt hätten. Mit Folgen bis hinein ins Privatleben der beiden Protagonistinnen.
Ein bedrückendes und wichtiges Zeitzeugnis - auch wenn die Handlung "nur" fiktiv in die Realität eingewoben ist. Einfühlsam von Cornelia Stoll übersetzt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von WaMi; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 15.03.2022

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