Hexenlied

Autor*in
Michaelis, Antonia
ISBN
978-3-7891-1052-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
400
Verlag
Oetinger
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2019
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Der Theaterclub des Gymnasiums lernt im neuen Schuljahr für das Stück „La Bruja“. Schon mit der ersten Probe entwickelt das gesamte Stück eine merkwürdige Eigendynamik, welche während des Theatercamps in den Bergen einen dramatischen Höhepunkt erreicht.

Beurteilungstext

Tim versucht als normaler Jugendlicher in der Masse unterzugehen, indem er seine Geheimnisse hütet und sich anpasst. Lilith will sich nicht anpassen oder verbiegen, was sie zur Außenseiterin der Schule macht. Ausgerechnet sie übernimmt die Rolle der geheimnisvollen mexikanischen Hexe im neuen Stück „La Bruja“ des Theaterclubs. Auch Tim übernimmt zum ersten Mal wirklich eine tragende Rolle im Stück. Schon mit der ersten Probe entwickelt das gesamte Stück eine merkwürdige Eigendynamik. Lilith nicht mehr mit ihrem Namen angesprochen, sondern von allen auch nach den Proben la bruja gerufen. Gerüchte machen die Runde: Opfert Lilith wirklich Tiere? Manipuliert sie die Träume der anderen? Als aus dem Theatercamp Schüler verschwinden ist allen klar, wer die Schuld trägt. Aber warum sagt Tim nichts?
Die Geschichte ist in der personalen Erzählform aus Tims Perspektive im Präteritum verfasst. Tim trägt Watte in den Ohren und versteckt sich zu Hause in einem stillen Raum mit Eierpappen an den Wänden. Er gibt sich große Mühe normal zu wirken und zwischen den anderen Schülern nicht aufzufallen. Diese sorgfältig aufgebaute Fassade bringt Lilith zum Wanken. Verunsichert, voller Selbstzweifel steht er erst zu sich selbst und seiner Meinung, als es für Lilith schon fast spät ist.
Lilith ist sehr dünn und immer mit schwarzen, zu großen Sachen gekleidet. In der Schule ist sie zwar eine unangepasste Außenseiterin hat aber als beste Schülerin nur sehr gute Noten. Sie verrät Tim einmal, dass sie das mit dem Anpassen schon probiert hat und gescheitert ist. Seit dem ist ihr egal was alle denken.
Antonia Michaelis erzählt die Geschichte fesselnd und sprachlich fordernd. Philosophische Metapher, tiefsinnige Gedanken und anspruchsvolle Sätze würzen den Text. Die bildhaften Beschreibungen und dramatischen, unvorhersehbaren Wendungen erzeugen einen Sog, dem man sich beim Lesen nicht entziehen kann. Die Autorin spielt geschickt mit der Fantasie des Lesers. Während die Kinder das Stück proben, scheint es in ihrer Fantasie tatsächlich Gestalt anzunehmen. Statt im Klassenzimmer befinden sie sich plötzlich auf einem sandigen Dorfplatz, oder vor einem brennenden Bauernhaus. Für Tim sieht es so aus als würden sie in die wahre Geschichte eintauchen und nicht nur Theater spielen. Der Leser findet sich in zwei Geschichten wieder. Zum einen Tims Leben, seine Gedanken und die Erlebnisse zwischen den Proben, zum anderen die historische Geschichte von la bruja – der Hexe aus Mexiko.
Das weinende Gesicht auf dem Cover umrandet von einem Dornenkranz hat schon fast etwas Biblisches. Wie Jesus in seiner Rolle als Sündenbock und Märtyrer wurde auch Lilith trotz guter Taten und Absichten zum Opfer.
Das Ende ist vielleicht etwas unbefriedigend für einen Happy-End-Fanatiker wie mich aber dafür Konsequent und passend.
Das Buch ist für Jungen und Mädchen ab 14 Jahre sehr zu empfehlen und kann im Deutschunterricht hervorragend eingesetzt werden. Wir haben es im Leseclub sehr intensiv diskutiert. Es bieten sich unzählige Gesprächsanlässe Mobbing, Vorurteile, Außenseiter, Magersucht, Realitätsverlust, psychologische Störungen. Es können sogar parallelen zur Bibel gezogen werden. Sehr gut gewählte Metapher bieten jede Menge Potential für tiefergehende philosophische Diskussionen. Z.B. „Gerüchte sind wie Quecksilbertropfen. Wenn sie den Boden berühren, teilen sie sich, rollen und fließen in Lücken und Spalten, vermehren sich, winzig, beinahe unsichtbar … giftig.“
Im Roman wird das Bestreben der Masse auf der Suche nach einem geeigneten Sündenbock sehr gut dargestellt. Es trifft nie den Richtigen, nur den Schwächsten. Hier wird eine Fantasie zum Selbstläufer, eine aufgewiegelte Masse zu Tätern.
Ein Buch, dessen Genuss selbst nach einem langen Spaziergang nicht vollständig verdaut ist. Es verweilt im Kopf und wirkt mit unzähligen Gedanken nach.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RS; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 23.09.2019

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