Bibs

Autor*in
Enzensberger, Hans Magnus
ISBN
978-3-446-23380-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Berner, Rotraut Susanne
Seitenanzahl
32
Verlag
Hanser
Gattung
BilderbuchFantastikSachliteratur
Ort
München
Jahr
2009
Lesealter
6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Manchmal ist man als kleiner Bruder genervt über alles und möchte am liebsten die Welt wegschicken. Passiert das aber wirklich, ist es leer, finster und kalt. Das Neuerschaffen der Welt ist sehr, sehr anstrengend, wie der kleine Bibs feststellen muss.

Beurteilungstext

Bibs ist der kleine Bruder, dem es wieder mal reicht. Er hat keine Lust mehr, sich ärgern zu lassen, er ist wütend auf alles, er will nicht mehr. Den Ärger, die Wut und das, was das alles verursacht hat, kann Bibs genau aufzählen. Man erkennt es sofort wieder, es ist genau der Ärger, den kleine Brüder (kleine Schwestern wahrscheinlich auch) ab und an haben, und der scheint seit Ewigkeiten immer der gleiche zu sein.
Der große Bruder stört ihn bei den Hausaufgaben, weil er immer Krachmusik macht. Aber einen großen Bruder verpetzt man nicht, und deshalb muss ein kleiner Bruder Krachmusik ertragen. Die Hausaufgaben selbst, zu denen er sowieso nicht richtig kommt, sind wie immer öde, und auch daran, scheint es, kann man nichts ändern. Draußen regnet es. Das ist außerordentlich langweilig. Kann man daran etwas ändern? Natürlich nicht. Das Schlimmste aber ist, dass sein Fahrrad weg ist, und der Vater ihm unterstellt, dass er es verschlampt hat. Der Ärger, den Bibs ertragen muss, ist also dermaßen hoch, dass ihm nur die Flucht zu seinem Lieblingsversteck bleibt, und das ist der alte Wäschekorb in der schön dunklen Wäschekammer. Hier drin sitzt Bibs und ist mit der Welt und allem in ihr zerfallen. In seinem tiefschwarzen Kummer simuliert er einen leuchtend bunten Kaugummi herbei. Und siehe da, der Kaugummi schwebt heran. Aber was soll er mit einem einzigen Kaugummi? Mehr müssten es sein. Und es kommen mehr. So viele mehr, dass es Bibs eng wird in der Wäschekammer und er den Kaugummis befiehlt, abzuhauen. Das machen sie auch. Bibs staunt. Er scheint nach Belieben Dinge erscheinen oder verschwinden lassen zu können. Noch einmal rekapituliert er den Ärger der letzten Tage und beschließt, die ganze Welt soll ihm gestohlen bleiben. Sie soll verschwinden.
Die Welt verschwindet und Bibs fällt, fällt und fällt ins Bodenlose. Hat der geübte Leser im ersten Moment an den Goetheschen Zauberlehrling denken müssen, dessen Besen nicht mehr still stehen wollte, so scheint nun ein zweites Zitat aufzutauchen: Alice im Wunderland. Aber während Alice in der Wunderwelt Boden gewinnt und in ihr ausgiebig umherreist, stoppt Bibs seinen gruseligen Fall ziemlich rasch. Ihm ist das viel zu finster, er braucht Luft, und so befiehlt er der Luft, dass sie erscheinen möge und - wie ein kleiner Gott bei der Neuerschaffung der Welt - befiehlt Bibs, dass es Licht, Luft und Wärme geben möge, und so wird es dann auch. Bibs richtet die Welt neu ein. Farben müssen wieder her, und die Welt darf natürlich nicht so klein wie ein Ball sein, sondern größer, und ein Haus, sein Haus, sollte bitteschön auch wieder da sein.
Ziemlich rasch merkt Bibs, dass das Welterschaffen und -einrichten sehr anstrengend ist. Kaum hat er wieder ein Kinderzimmer, fehlt ihm ein Bett. Hat er ein Bett, fehlt ihm das Kissen, hat er das Kissen, sind keine Federn drin, wünscht er sich ein Rad, kommt ein Wagenrad angerollt, und er wollte doch nur ein Fahrrad!
Wer sich eine neue Welt ausdenken muss, hat es nicht leicht, denkt Bibs, und darüber muss er wohl eingeschlafen sein.
Denn als er wieder aufwacht, ist alles beim alten und alles wieder da. Nein, nicht ganz. Ein Irrtum hat sich aufgeklärt, Bibs hatte sein Fahrrad tatsächlich nicht verloren, es steht seelenruhig im Garten. Die Eltern entschuldigen sich bei Bibs. Das wird sein größter Triumph und seine größte Freude. Und so verlässt der Leser am Ende einen glücklichen kleinen Jungen, der gern wieder da ist, wo er ist, nämlich in seinem Zuhause.
Es ist nicht der erste Ausflug Hans Magnus Enzensbergers in die Kinderliteratur, schon mit seinem "Zahlenteufel" ergriff er Partei für das lernfähige und entdeckerfreudige Kind. In dieser Geschichte wird kindlicher Ärger und kindliche Wut ernst genommen und auf die Spitze getrieben, so, wie das Kinder auch manchmal zu tun pflegen, wenn sie sich heimlich wünschen, tot zu sein, damit die Mutter sich ganz furchtbar erschrickt.
Die fantastische Reise des kleinen Bibs erzählt von der Erfahrung, die er machen musste, als er die Welt verwünschte. Eine neue und ganz andere Welt zu erschaffen scheint gar nicht so einfach, wie der kleine Junge erstaunt feststellen muß.
Die Illustrationen zur Geschichte stammen von Rotraut Susanne Berner, deren Wimmelbücher für die Kleinsten außerordentlich erfolgreich sind. Sie verwendet diesen sehr detailgetreuen Stil auch für die vorliegende Erzählung, und so erscheinen die Bilder trotz einiger großformatiger Seiten oft wie Seiten, über die kleines Spielzeug ausgeschüttet worden ist. Fast hat man Lust, die Bildchen auszuschneiden und woanders wieder aufzukleben. Wird vielleicht auch hier mit der Idee vom Verschwinden und Neuerschaffen gespielt?

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von emk.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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