Skeleton Tree: Nur die Wilden überleben

Autor*in
Lawrence, Iain
ISBN
978-3-7725-2973-3
Übersetzer*in
Brauner, Anne
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
270
Verlag
Freies Geistesleben
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Stuttgart
Jahr
2021
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
19,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

In einer Hütte, weit draußen in der Wildnis Alaskas, wacht der 12-Jährige Chris mit einem Ruck auf. Noch ist es dunkel, noch ist der wacklige Tisch aus Treibholz ein wildes Tier, sind die Plastikumhänge an den Haken Männer, die sich in den Ecken herumdrücken. Noch schläft Frank neben ihm. Doch Chris wird ihn gleich wecken, denn heute ist DER Tag: der Tag, an dem sie gerettet werden!

Beurteilungstext

Mit dieser Szene beginnt Iain Lawrence seinen neuen Roman „Skeleton Tree: Nur die Wilden überleben“, in welchem er die Geschichte von Chris und dem fünfzehnjährigen Frank bis zu dem schicksalhaften Tag erzählt. Die beiden sind gemeinsam mit Chris´ Onkel Jack auf einem Segelboot vor der Küste Alaskas unterwegs, als sie in einen schweren Sturm geraten. Das Boot kentert und Jack ertrinkt. Die beiden Jungs stranden an einem einsamen Küstenabschnitt und finden Zuflucht in einer alten heruntergekommenen Jagdpächter-Hütte. Es beginnt ein Kampf ums Überleben, in dem Chris eigentlich nur verlieren kann: Sie haben kein Essen, das gefundene Funkgerät hat keine Batterien und Frank scheint ihn abgrundtief zu hassen. Dabei können sie doch nur überleben, wenn sie zusammenhalten.
Der Kanadier Lawrence ist im Abenteuergenre für Kinder und Jugendliche bereits ebenso geübt wie erfolgreich und hat für seinen letzten Roman „Winterpony“ viele positive Kritiken bekommen. Dort wird die Geschichte der berühmten Südpolexpedition von Robert F. Scott erzählt: aus Sicht eines Ponys im Tross der Packpferde. Und auch in „Skeleton Tree“ geht es wieder um eine Ausnahmesituation, einen Wettlauf gegen die Zeit, einen Kampf auf Leben und Tod. Iain Lawrence hat eine moderne Abenteuergeschichte geschrieben, die in ihrer Atmosphäre an „Die Schatzinsel“ und „Robinson Crusoe“ erinnert und teilweise sogar direkte Referenzen zieht. Als Chris an einem Donnerstag (wahrscheinlich ist es ein Donnerstag, so genau kann er es nicht sagen, die Tage verschwimmen zunehmend) Freundschaft mit einem zahmen Raben schließt, nennt er ihn Thursday. Lawrences Sprache ist atmosphärisch dicht und besticht durch starke Bilder und intensive Emotionen, die jedoch kaum genauer erklärt und aufgelöst werden. Chris ist zwar nicht der Ich-Erzähler, aber die Geschichte ist aus seiner Sicht erzählt und bleibt dabei in einer Schwebe, bei der wir Leser:innen uns immer wieder fragen müssen: Was ist real, was eingebildet? Hausen in den Ästen des alten Baumes auf dem Felsen, dem titelgebenden Skeleton Tree, wirklich die Geister der Toten? Schleicht jemand um die Hütte oder halluziniert Chris, von Hunger und Krankheit geschwächt? Und was ist das überhaupt mit Frank, warum hasst er Chris so? Er scheint eine unbändige Wut auf Chris zu haben, schikaniert und verprügelt ihn sogar. Dass uns der Autor so oft im Unklaren lässt führt zu einem seltsam bedrückenden und fast unangenehmen Gefühl beim Lesen, welches sich erst gegen Ende des Romans auflöst. Als Chris und Frank eine unglaubliche Gemeinsamkeit zwischen sich entdecken und ein Mitgefühl für den anderen entwickeln, können wir ein wenig aufatmen und Sympathie aufbringen für die zwei Charaktere in dieser Ausnahmesituation.
Die düstere Atmosphäre zwischen den beiden Protagonisten wird noch gespiegelt und verstärkt durch die alles bestimmende Natur Alaskas, in der die Jungs zunehmend um ihr Überleben kämpfen müssen. Die Tage werden kürzer, die Lachse weniger, die Grizzlybären hungriger und immer mehr Stunden versinken im feuchtkalten Nebel, der zwischen den Bäumen hängt. In diesem Zusammenhang muss auf das hervorragende Cover verwiesen werden, dass die Silhouetten der Jungs auf einem Felsvorsprung vor dem Nebelwald zeigt.
Fazit: „Skeleton Tree“ ist ein gleichermaßen mysteriöser wie unheimlicher Abenteuerroman, dessen Geschichte und gelungenes Cover die Zielgruppe sicher ansprechen. Er wird ab 12 Jahren empfohlen, was aufgrund seiner zahlreichen Schauer- und Schockmomente sowie auch der realistisch beschriebenen blutigen Verletzungen angemessen ist. Ihn zu lesen macht nicht immer Spaß, ist dafür aber richtig spannend. In seinen Anspielungen auf die Klassiker von Daniel Defoe und Robert L. Stevenson liegen auch Potentiale für einen Einsatz als gemeinsame Klassenlektüre.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von SJ; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 01.04.2022

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