Rotkäppchen muss weinen

Autor*in
Hanika, Beate Teresa
ISBN
978-3-596-85336-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
222
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2009
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Malvina wird 14 und hat im Jahr zuvor noch Bandenkrieg gegen die Jungs gespielt. Jetzt lernt sie deren Anführer ganz anders kennen und es entwickelt sich eine zarte erste Liebesgeschichte. Den Auftakt bildet aber die Ekel besetzte Begegnung mit ihrem Großvater - und unter ihrer beredten Erzählung des pubertären Erlebens tritt immer deutlicher werdend eine Geschichte von Missbrauch, verlogener Erpressung und Wegblicken und Ignorieren der gesamten Familie zu Tage.

Beurteilungstext

Beate Teresa Hanika verleiht der Missbrauchten eine glaubhafte Stimme. Dass der weitaus größte Anteil an sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie oder dem nächsten Freundeskreis stattfindet, ist inzwischen Allgemeingut, dass deswegen unbedingt mehr darüber gesprochen würde, weniger. Und das Nicht-Sprechen-Können ist das eigentliche Thema der Autorin. Das Ekelpaket des Großvaters ist hier allerdings auch eindeutig. Eines der Hauptprobleme der Opfer ist aber auch, dass sie nicht so recht wissen, ob sie den Täter nun eigentlich hassen oder lieben, meist ist es eine dem Opfer völlig undurchschaubare Gemengelage. Hier verlagert sich dieses Gefühl auf den Vater Malvinas. Der missbraucht sie zwar nicht, wird aber durch sein Wegsehen zum Mitschuldigen, bedrohlich wirkt er durch seine brutale Aggressivität auf jeden Fall. Die Mutter weiß fast alles, flüchtet sich aber bei jeder, buchstäblich jeder Form von Anspruch in ihre Migräne, die sie völlig passiv werden lässt. Weder der große Bruder noch die attraktive (und für Malvina damit als das Gegenbild von ihr selbst empfunden) ältere Schwester wollen die zaghaften Äußerungen Malvinas ernst nehmen. Der Großvater selbst nutzt meisterhaft alles, was ihm zur Verfügung steht: er stellt sich als hilflos dar, als Verlassenen, als Einsamen, als Opfer, als Kumpel, als Freund - jeweils verbunden mit dem Anspruch, dass Malvina nichts weiter erzählen dürfte, weil ihr sowieso niemand etwas glauben würde.
Malvinas Hilferufe verhallen ungehört. Ihre beste Freundin steht ihr in jeder Form zur Seite, unterstützt sie in allen Bereichen - ahnt aber von den Hintergründen nichts, weil Malvina ihr auch nichts erzählen kann. Die Annäherungsversuche des Großvaters unterlaufen die beiden für lange Zeit einfach dadurch, dass sie nur zu zweit bei ihm auftauchen. Als die Freundin aber in den Ferien verreist, steht Malvina wieder alleine da.
Nur die Nachbarin des Großvaters ahnt etwas. Sie hilft auf skurrile Art - aber auch ihr erzählt Malvina nichts.
Sie flüchtet sich in schroffes, aggressives Gebaren, für sie ist das ohnehin die richtige Verhaltensweise gegenüber dem Jungen der gegenerischen Bande. Aber jetzt ist sie fast 14, er 16 und es entwickelt sich ganz anders. Ihre Kindheit begraben sie gemeinsam in einer Ruine, die sie als ihr Domizil angesehen haben, die aber jetzt abgerissen wird. Und damit die Naivität des Kindseins.
Jetzt hat Malvina Hilfe. “Klatsche” gibt ihr den Halt, den die Familie ihr verweigert, Lizzy kommt rechtzeitig aus den Ferien zurück und durchbricht das Schweigen der Familie.
Die Autorin begeht nicht den Fehler, in einer Generalbeichte alles zu offenbaren. Malvina wurde das Verschweigen eingebläut und von allen Familienmitgliedern vorgelebt. Sie kann einfach nicht alles erzählen, es bleibt bei oberflächlichen Berichten und Andeutungen; aber jeder kann sehen/lesen, dass mehr dahinter steht und dass Malvina ernst zu nehmen ist. Den Rest kann sich jeder selbst zurecht rechnen.
Kein Buch für Voyeure (oder die der lesenden Form davon), aber ein Buch, das ein Plädoyer darstellt, genauer hinzusehen und zu -hören.
Auf der Auswahlliste für den LesePeter.

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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