Nicky & Vera. Ein stiller Held des Holocaust und die Kinder, die er rettete

Autor*in
Sís, Peter
ISBN
978-3-8369-6151-6
Übersetzer*in
Jakobeit, Brigitte
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Sís, Peter
Seitenanzahl
64
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hildesheim
Jahr
2022
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

„Nicky und Vera“ erzählt die Geschichten zweier Personen, die anfangs lose nebeneinanderzustehen scheinen, und dann geschickt zu einer einzigen verwoben werden. „Nicky und Vera“ ist gleichzeitig die Geschichte eines „stillen Helden“ aus der Zeit des Nationalsozialismus, der hunderte Kinder vor dem Holocaust rettete.

Beurteilungstext

Der Autor Peter Sís beginnt mit der Lebensgeschichte des Engländers Nicholas „Nicky“ Winton, der sich als einfacher, aber dennoch weltoffener und interessanter Mann herausstellt. Auf den nächsten Seiten lernen die Leser*innen Vera Gissing kennen, die in Prag lebt und Katzen liebt. Nur kurz wird angesprochen, dass Veras Familie jüdischen Glaubens ist. Die beiden Leben kreuzen sich unbemerkt, als Veras Eltern beschließen, ihre Tochter vor den Deutschen in Sicherheit zu bringen, und Nicky nach Prag reist, um die Ausreise von Kindern nach England zu organisieren. Als die Deutschen in die „Rest-Tschechei“ einmarschieren, steigt Vera mit anderen Kindern in einen der Züge nach London, wo sie in einer neuen Familie aufgenommen wird. Doch es ist nicht nur eine hoffnungsvolle Geschichte; es wird auch berichtet, dass der Zug mit Veras Cousins nicht mehr ausreisen darf und Veras Eltern in den „Nazilagern“ sterben. Dennoch überwiegt am Ende das Glück: Vera gründet eine Familie in England. Und Nicky? Seine Geschichte geht noch weiter: Als Nicky alt geworden ist, entdeckt eine Frau seine Heldentaten, lädt ihn und heimlich diverse gerettete Kinder in eine Fernsehsendung ein. In einer bewegenden Geste stellen diese sich Nicky vor, der sich selbst nicht als Held bezeichnen will, es dadurch aber für die Leser*innen umso mehr wird.

Die Geschichte ist durch viele Zeichnungen vom Autor selber illustriert, teils in Schwarz-weiß und historisch detailgetreu, teils in Farbe und phantasievoll. So können sich die Leser*innen aussuchen, welche Geschichte sie lesen: Die eines stillen Helden, der ein Kind namens Vera vor dem Krieg rettet, indem er sie in einen Zug nach London setzt und der erst spät dafür berühmt wird. Oder die von Nicholas Winton, der unter anderem die Annexion Österreichs, das Münchner Abkommen, die Novemberpogrome und den Angriff Deutschlands auf Polen miterlebt und nach Prag reist, um Kinder vor einem Konzentrationslager zu retten, auf dem „Arbeit macht frei“ steht. Diese historischen Ereignisse werden fast fotorealistisch in schwarz-weiß dargestellt und können, müssen dem Kind aber nicht vorgestellt werden. Dies überlässt es den Vorlesern*innen, wie tief sie in die Geschichte eintauchen wollen. Das ist eine Stärke des Buches, da es die Möglichkeit bietet, den Inhalt an das Interesse und die Aufnahmefähigkeit des Kindes anzupassen.
Die andere Lesart ist bunter, wenn auch sie vom Krieg kündet. Aber sie wird durch phantasievolle Bilder ergänzt, die dem Zielalter von fünf bis acht Jahren entsprechen und bei der Verarbeitung des schwierigen Themas helfen: So durchsucht Nicky mit einem Degen in der Hand und in Ritterrüstung Zeitungen nach Pflegefamilien für die Kinder, fährt der Zug mit den Kindern durch einen wunderbar blauen Himmel mit Sternbildern und nehmen Veras Katzen einen wichtigen Stellenwert in den Bildern ein.

Auch die Sprache ist der Zielgruppe der Fünf- bis Achtjährigen angepasst, teils mit einfachen Hauptsätzen, teils mit leicht zu verstehenden Satzgefügen. Schwierig zu erfassen sind die Begriffe, die sich auf historische Fakten beziehen: Hier müssen die Vorlesenden aushelfen und gegebenenfalls erläutern, was eine Synagoge, ein Visum, eine geschlossene Grenze oder Evakuieren bedeuten. Die Anzahl dieser Begriffe ist aber begrenzt und tut dem Verständnis keinen Abbruch, bietet vielmehr Anreiz zum Gespräch über anspruchsvolle Themen. Es mag aber Fünf- oder Sechsjährige geben, für die diese Art des Erzählens noch nicht geeignet ist. Für den Unterricht in einer ersten bis dritten Klasse bietet dieses Buch jedoch eben dadurch die Möglichkeit, mit Schülern*innen über das Thema Krieg und Flucht zu sprechen - historisch wie aktuell.

Der Ton der Geschichte ist lakonisch; es wird vordergründig deutlich gemacht, dass hier „nichts Besonderes“ berichtet wird, sondern dass die Geschichte von „normalen Menschen“ und ihrem „normalen Alltag“ handelt. Dies unterstreicht die Intention, einen „stillen Helden“ zu präsentieren. Zudem wird dadurch eine Unaufgeregtheit erzeugt, die dem schwierigen Thema die Spitze nimmt und den Fokus auf die einfachen Menschen und ihre Taten statt auf Action und das Thema Krieg legt. Dies ist wichtig, um den jungen Lesern*innen behutsam zu erzählen, was Krieg und Flucht bedeuten können und wer in diesen schweren Zeiten die wahren Helden sind. Auch dies bietet die Möglichkeit, im Unterricht daran weiterzuarbeiten und einen Kontrapunkt zu derzeit beliebten Action-Serien zu setzen.

Die Geschichte wird durch Sachinformationen im Anhang bereichert, die sie als wahr greifbar machen und kontextualisieren: So werden die Idee für diese Geschichte und der Protagonist sowie die Protagonistin vorgestellt. Diese Texte sind für erwachsene Leser*innen gedacht. Mir haben sie geholfen, die Unglaublichkeit sowie Bedeutung dieser Geschichte zu verstehen, indem sie auch mir gezeigt haben, dass wir alle Helden sein können. Dies erscheint mit dem Krieg, der vor zwei Wochen in der Ukraine begann, umso wichtiger.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von KB; Landesstelle: Berlin.
Veröffentlicht am 01.04.2022

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