Nicky & Vera. Ein stiller Held des Holocaust und die Kinder, die er rettete

Autor*in
Sís, Peter
ISBN
978-3-8369-6151-6
Übersetzer*in
Jakobeit, Brigitte
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Sís, Peter
Seitenanzahl
64
Verlag
Gerstenberg
Gattung
BiografieBuch (gebunden)
Ort
Hildesheim
Jahr
2022
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ende 1938 besetzen deutsche Truppen Grenzregionen der Tschechoslowakei, insbesondere jüdische Familien befinden sich in großer Gefahr. Dem jungen Engländer Nicholas Winton gelingt es, Kindertransporte nach London zu organisieren; innerhalb weniger Monate werden dadurch fast 700 Jungen und Mädchen gerettet. Eines dieser Kinder ist Vera. Erst 1988 werden der „stille Held“ Nicky und seine Rettungsaktion bekannt; es kommt zu einer Begegnung zwischen ihm, Vera und Dutzenden weiteren Geretteten.

Beurteilungstext

„Nicky & Vera“ sind zwei Menschen, die sich persönlich kaum gekannt haben, ihre Schicksale in der Zeit des Holocaust sind jedoch eng miteinander verbunden. Die Lebensgeschichten der beiden erzählt Peter Sís mit eindrucksvollen Worten, seine „leuchtenden, poetischen Bilder“ beschreiben ergänzend das Geschehen. Text und Illustrationen sind auf einmalige Weise eng miteinander verknüpft und üben eine große Faszination aus.

‚Nicky‘ ist der Engländer Nicholas Winton, der als 29-Jähriger im Dezember 1938 der Einladung eines Freundes nach Prag folgt. Nach der Besetzung des Sudentenlandes durch die deutschen Truppen befinden sich dort viele Flüchtlinge. Winton sieht ihre Not und erkennt die besonderen Gefahren der Kinder durch den bevorstehenden Krieg und die Maßnahmen zur Verfolgung der Juden. Er beschließt so viele von ihnen wie möglich in Sicherheit zu bringen, findet über Kleinanzeigen Pflegefamilien in England, beantragt und fälscht Visa, sucht Zugverbindungen und trifft Reisevorbereitungen, organisiert die notwendigen Gelder. Innerhalb von sechs Monaten verlassen im Rahmen seiner Aktion acht Züge Prag, „669 Kinder aller Altersgruppen kamen wohlbehalten in London an.“ Im September 1939 jedoch werden die Grenzen geschlossen, der neunte Zug mit 250 Kindern kann nicht mehr abfahren.

Vera Gissing (geb. Diamantovà) ist 1938 zehn Jahre alt und verbringt ihre Kindheit in der Nähe von Prag. Vera mag Katzen und Pferde, hilft ihrer blinden Großmutter und geht manchmal mit ihren Eltern in die Synagoge. Als die deutschen Soldaten einmarschieren, beschließen die Eltern ihre Tochter nach England ausreisen zu lassen. Mit dem siebten Zug, den Nicky organisiert, verlässt sie Prag. Ihre Eltern und fast alle anderen Familienmitglieder müssen zurückbleiben, Vera wird sie nicht wiedersehen.

Fast fünfzig Jahre müssen vergehen, bis man sich wieder an diese Rettungsaktion erinnert, nie hat ‚Nicky‘ nach dem Krieg darüber gesprochen. Wintons Ehefrau findet 1988 Unterlagen über die Kindertransporte und nimmt Kontakt zu Historikern auf, es kommt zu Begegnungen zwischen dem Retter und den „Winton-Kindern“. Nicholas Winton erhält zahlreiche Preise und Auszeichnungen, wird Ehrenbürger der Stadt Prag, 2015 stirbt er im Alter von 106 Jahren. Vera hat über ihre Erlebnisse das Buch „Pearls of Childhood“ geschrieben und es gibt mehrere Interviews mit ihr und anderen Geretteten. Aus diesen Quellen holte sich Peter Sís Anregungen für sein Buch.

So eindrucksvoll die Fakten der Geschichte sind, das Besondere an diesem Buch sind die Art der Umsetzung in der Erzählweise und Sís' einzigartige Illustrationen. Seine Bilder sprechen eine eigene Sprache, die sich nicht sofort erschließt und ein genaues Betrachten erforderlich macht. So ist zum Beispiel in der Silhouette der abreisenden Vera eingezeichnet, welche Erinnerungen sie mit in den Zug nimmt: die Eltern, das Dorf, ein Pferd, der gedeckte Familientisch. Da fährt der Zug über den Sternenhimmel, die erwachsenen „Winton-Kinder“ tragen das Kind, das sie einmal waren, in ihrem Inneren. Diese poetischen Elemente und auch die sachlichen Fakten werden jüngere Kinder wohl noch nicht verstehen. Der Alters-Empfehlung des Verlags (ab fünf Jahren) kann ich deshalb nicht folgen. Zum gemeinsamen Betrachten mit Kindern ab etwa neun Jahren und für Jugendliche und Erwachsene ist das Buch mit den kunstvollen Bildern aber eine sehr empfehlenswerte, beeindruckende Lektüre. Weitere ausführliche Sachinformationen und Anmerkungen des Autors sind im Anhang zu finden.

Peter Sís ist in der Tschechoslowakei aufgewachsen, seit 1982 lebt er in den USA. Er begann seine künstlerische Laufbahn als Filmemacher, 1980 war er mit einem Kurzfilm Preisträger der Berlinale. Weltweit bekannt geworden ist er aber als Illustrator und Autor; er erhielt Auszeichnungen für zahlreiche seiner Bücher, u.a. den Hans-Christian-Andersen-Preis, den Deutschen Jugendliteraturpreis und den Bologna Ragazzi Award. Gern erzählt er von Helden wie Robinson Crusoe oder Darwin; für dieses Buch hat er den Untertitel „Ein stiller Held des Holocaust und die Kinder, die er rettete“ gewählt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von htd; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 15.03.2022

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