Man darf mit dem Glück nicht drängelig sein

Autor*in
Boie, Kirsten
ISBN
978-3-596-80538-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Bauer, Jutta
Seitenanzahl
172
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2005
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
5,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Anna und ihre beiden Geschwister wollten mit der Mutter im Sommer nach Schweden fahren, doch die soll plötzlich zu einer Fortbildungsveranstaltung. Einspringen muss also der Vater, doch der lebt längst mit einer anderen Frau, die wiederum einen Sohn aus erster Ehe hat. Was für eine schreckliche Situation, als die vier so unverhofft ihren Sommer miteinader verbringen müssen!

Beurteilungstext

Was für ein wunderbares Buch von Kirsten Boie, das nun als Taschenbuchausgabe (der 1997 bei Oetinger erschienenen gebundenen Ausgabe) vorliegt! Einfühlsam und in sehr leisen Tönen erzählt sie die Geschichte von vier Kindern, die aus den nach einer Scheidung neu entstandenen Familien stammen und in einem Sommer in Schweden aufeinander treffen.
Zwangsweise muss sich Vater um Anna, Magnus und Linnea kümmern und mit ihnen den gebuchten Urlaub in Schweden antreten, da die Mutter unverhofft eine Weiterbildung machen muss; doch der Vater lebt längst mit “dem Weib” zusammen, die wiederum aus erster Ehe einen Sohn Friedrich hat und zu allem Unglück (in der Sicht der Kinder) auch aus der neuen Beziehung schwanger ist - eine schwierige Schwangerschaft, die Mutter und Kind gefährdet. Als sie ins Krankenhaus muss, bleibt nichts anderes übrig als Friedrich auch noch in ohnehin sehr angespannte Familie in Schweden aufzunehmen.
Ein mutiges Buch ist dieser Roman, denn die Geschichte wird ganz aus der Sicht der 4- bis 12-jährigen Kinder erzählt, und die kennen nicht die Hemmungen und Skrupel, die Erwachsene in gleicher Situation hätten - zumindest beim Äußern ihrer Gefühle. “Das Weib” nennt Anna die neue Frau des Vaters, und die kleine Linnea wundert sich, wie das Weib ihren Sohn nur “Scheißkerl” hat taufen können. Oft genug wünscht Anna, das Weib würde sterben, das Baby dazu, und der Scheißkerl könnte dann ja woanders hingehen. Dann wäre der Weg frei für den Vater nach Hause zu kommen und wieder bei ihnen zu leben. Reines Wunschdenken, und das erkennt sie, als sie mit dem Vater nun notgedrungen in Schweden leben muss. Der hat schlechte Laune, sorgt sich um Frau und ungeborenes Kind, kann nicht arbeiten in den primitiven Ferienhausverhältnissen; seine Kinder sind fremd geworden, ihre Bedürfnisse ahnt er nicht oder will sie nicht ahnen, weil er dann erkennen müsste, was er nicht in ihren Augen sehen will. “Herr Schulze,” nennt Linnea den Vater, denn sie darf nicht “du” sagen zu fremden Männern, und in ihrem Zorn ist er auch mal “du Blöder”.
Kirsten Boie gelingt es, die zweispältigen Gefühle der Kinder darzustellen, ihr Recht auch auf negative Gefühle zu betonen. Diese negativen Gefühle geraten ins Wanken, als Friedrich auftaucht - ein schüchterner Junge, den Anna gleich schlecht behandelt. Es dauert eine Zeitlang, bis sie merkt, dass Friedrich ganz ähnlich fühlt wie sie, dass auch für ihn, der nun ihren Vater als neuen Papa hat, die Situation ganz ähnlich und genau so schwierig ist. Gegen ihren willen gerät Anna ins Nachdenken, nähert sich zaghaft und widerstrebend Friedrich an.
Am Ende steht kein happy ending, aber Anna kann nun angstfrei an die Zukunft denken. Sie weiß, der Vater kommt nicht mehr zurück, aber vielleicht gibt es Platz in ihrem Leben auch für seine neue Frau und vielleicht sogar für das Baby.
Der einfühlsamen Geschichte stehen die ebenso einfühlsamen Illustrationen von Jutta Bauer gegenüber; Stempeldrucke ha sie gewählt, die kindlich ungelenk wirken und erst auf den zweiten Blick ihre künstlerische Qualität offenbaren. Bandmäßig ziehen sie sich auf jeder Seite am oberen Rand über den gesamten Text, auf jeder Doppelseite ein anderes Motiv, das dem Inhalt direkt entnommen scheint und ihn interpretiert, schlicht, deutlich, schonungslos.
Ein rundum zu empfehlendes Buch, dem man eine große Leserschaft wünschen darf!

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von avn-rp.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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