Jetzt kommt Paula!

Schlagwörter

• Familie
• Gender/Geschlecht
• Mut
• Ungleichheit

Teaser

Sammelband mit drei Geschichten der mutigen und selbstbewussten Paula Kussmaul.

Beurteilungstext

Die 2001, 2003 und 2005 erstmals erschienenen Geschichten Klaus Kordons über die mutige und selbstbewusste Paula Kussmaul sind jetzt in diesem Sammelband zusammengefasst: "Paula Kussmaul lässt nicht locker", "Paula Kussmaul und Kater Knutschfleck" sowie "Paula Kussmaul tief im Schnee" - ein kleines Denkmal für die sympathische Alltagsheldin mit den roten Haaren und Sommersprossen, was zunächst an Pippi Langstrumpf erinnert, doch Paula ist eine Heldin ganz anderer Art: Sie ist im Grunde sehr brav, mit einer großen Portion Mitgefühl und Verantwortungsbereitschaft ausgestattet, mischt sie sich ein, wenn ihr etwas falsch oder ungerecht erscheint. Sie lässt die Dinge nicht auf sich beruhen, sondern entwickelt Ideen, wie man im Sinne des Gemeinwohls und auf der Grundlage von Gerechtigkeit Probleme lösen kann. Sie ist dabei in den ganz normalen Alltag eines Schulkindes eingebunden, hat noch zwei ältere Schwestern und einen jüngeren Bruder, die Eltern sind getrennt, worunter vor allem sie und ihr Bruder Linus leiden. Die drei Geschichten bauen aufeinander auf, erzählen aber in sich abgeschlossene Abenteuer, so dass sie auch unabhängig voneinander gut verstanden werden können.

In der ersten Geschichte zieht ein neuer Junge in Paulas Haus ein, Enno, der nach den Sommerferien auch in ihre Klasse, in die 4b, kommt. Er ist mit seinen Eltern aus Peru in die Kleinstadt Bakenburg gezogen und fühlt sich alles andere als wohl. Von den anderen Kindern wird er auf Anhieb nicht gemocht. Es kommt zu Feindschaften innerhalb der Klasse, nur Paula setzt sich für ihn ein, jedoch ohne ihn gefragt zu haben, ob er überhaupt ihre Hilfe wünscht. So kommt es, dass Paula zum Gespött in der Klasse wird, ihre beste Freundin Henni verliert und auch von Enno abgelehnt wird, obwohl sie ihm ja nur beistehen wollte. Doch Paula gibt sich nicht geschlagen, erleidet tapfer und nachdenklich die Einsamkeit, in die sie durch ihr Engagement unerwartet geraten ist. Als dann die Anfeindungen zwischen den Jungen in der Klasse eskalieren und ein Unglück passiert, ringt Paula regelrecht mit ihrem Gewissen, um eine Lösung zu finden. Sie tastet sich Schritt für Schritt an dem Abenteuer, in das sie nun geraten ist, entlang, immer wieder überprüfend, ob das auch richtig ist, was sie da tut, denn eine Verräterin will sie auf keinen Fall sein. Also entwickelt sie eine Lösung auf dem schmalen Grad zwischen Loyalität, Verantwortung und Vernunft. Gleichzeitig muss sie aber auch ihr eigenes seelisches Abenteuer bestehen, denn ihr Vater steht plötzlich mit seiner neuen Freundin vor der Tür und verkündet, dass er mit ihr nach Afrika gehen wird, um dort als Krankenhelfer zu arbeiten.

Die zweite Geschichte kreist um den entlaufenen Kater Knutschfleck, für den die Besitzer 500 € Finderlohn versprechen. Da in der 4b eine Klassenfahrt ansteht und drei Kinder sich die Fahrt nicht leisten können, Paula sich aber wünscht, dass alle mitkommen können, mobilisiert sie die ganze Klasse, nach dem Kater zu suchen und den Finderlohn für die Klassenfahrt zu kassieren. Wie schon in der ersten Geschichte schlägt die anfängliche Begeisterung um in Nachdenklichkeit und Gewissenskonflikte, als Paula erfährt, dass der Kater nicht etwa reichen Leuten gehört, sondern einem blinden Mädchen, deren Familie nicht wohlhabend ist.

In der letzten Geschichte erzählt Kordon dann folgerichtig von den Abenteuern der Klassenfahrt in den Harz, bei der es dann doch geglückt ist, alle Kinder mitzunehmen. In dem Wintersportort lernt Paula einen Jungen kennen, der sich King Winter nennt, der im Supermarkt klaut und sich auch sonst wie ein Rüpel benimmt. Zusammen mit den Mädchen, mit denen sie sich ein Zimmer teilt, findet sie heraus, weshalb der Junge sich so aufführt: Seine Eltern sind Hotelbesitzer im Ort und arbeiten so viel, dass ihnen keine Zeit für ihren Sohn bleibt. Durch sein Fehlverhalten will er sie zwingen, sich mit ihm zu beschäftigen. Wieder hat Paula die zündende Idee, wie eine Lösung angebahnt werden kann, auch wenn sie, wie schon in den Geschichten davor, einen unerwarteten Verlauf nimmt.

Klaus Kordon erzählt unaufgeregt und in gleichmäßigem Fluss drei in einer möglichen Realität verankerte, von Grund auf positive, Geschichten. Dabei kommt er ohne jede Wortakrobatik aus, nimmt eine beinahe demütige Erzählhaltung ein und beschreibt mit beeindruckender Genauigkeit und Einfühlungsvermögen die Gefühlswelt seiner kindlichen Protagonisten. Er findet eine konkrete, zupackende Sprache für ihre Freude, ihr Leid oder ihre Enttäuschung und erinnert daran, dass Kindheit eine sehr ernste Angelegenheit intensiven Erlebens ist.
Jeder Geschichte gibt er durch die äußere Handlung eine deutliche Spannungskurve, die aber vor allem von der Lebendigkeit des Innenlebens der Figuren getragen wird. Sehr engmaschig tastet Kordon das Selbstbild seiner Charaktere ab und setzt es in kontrastreiche Relationen zu den anderen Figuren. Dabei gibt er den Kindern starke, selbstbestimmt handelnde Erwachsene an die Seite, die sich abseits von tradierten Rollenbildern behaupten.
"Jetzt kommt Paula!" eignet sich gut zum Vorlesen und Selberlesen. Es bietet sehr viele Gesprächsanlässe, um Haltungsfragen zu Themen wie Freundschaft, Mut, Fairness und Verantwortung zu erörtern und zu durchdenken.