Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen

Autor*in
Boie, Kirsten
ISBN
978-3-8337-3212-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
Verlag
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2014
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Titel wird durch die Erzählungen scheinbar ad absurdum geführt und trifft doch genau den Kern: Kirsten Boie erzählt auf den beiden CDs in ihrer einfühlsamen und doch schlichten Art so aus dem Alltag afrikanischer Aids-Waisen, dass der Hörer nach jeder Geschichte staunend, kopfschüttelnd, betroffen und die kleinen Helden bewundernd zurück bleibt.

Beurteilungstext

Was Aids für betroffene Familien bedeutet, wird nicht mit erhobenem moralischem Zeigefinder dargelegt, sondern an Alltagsepisoden illustriert, die viel intensiver wirken als jeder Appell. Da ist z.B. die sterbende Mutter, die ihrer Tochter ein Buch diktiert, das von der frühen Kindheit des Mädchens und seiner Schwester erzählt und all das sagt, was die Mutter den Mädchen nicht mehr wird erzählen können. Damit bei der kleinen Schwester keine Fragen offen bleiben und sie die Liebe der Mutter noch intensiver spürt, erfindet die große Schwester Aussagen im Sinne der Mutter hinzu, als diese es nicht mehr kann.
Allen Protagonisten ist gemeinsam, dass sie durch den Tod naher Familienangehöriger aus ihrer Kindheit heraus gerissen werden und plötzlich für sich, für Geschwister oder sogar Großeltern Verantwortung übernehmen müssen. Sie nehmen ihr Schicksal an und führen den harten Alltag Erwachsener. Den Luxus einer Schulbildung können sie sich nicht mehr leisten. Aber viele von ihnen wissen, wie wichtig Bildung ist, um aus der Armut heraus zu kommen, und versuchen, das Schulgeld für jüngere Geschwister aufzutreiben, wie z.B. Lungile, die sich prosituiert. Intensiv schildert Kirsten Boie, was in dem Mädchen vorgeht, als es zum ersten Mal mit der Prostitution konfrontiert wird und später bei einem LKW-Fahrer einsteigt. Diese Geschichte verdeutlicht auch, wie wirkungslos manche gut gemeinten Unterstützungsmaßnahmen sind, denn die jungen Prostituierten bekommen zwar kostenlose Kondome, doch die LKW-Fahrer lehnen sie ab, und wenn sich eine weigert, finden sie schnell eine neue, die ihren Wünschen entspricht, weil sich zu viele aus Not prostituieren.
In Boies Geschichten erhält der Hörer quasi nebenbei eine Lehrstunde darüber, was es heißt, in Afrika in Armut zu leben. Da es kaum Straßen gibt und die Siedlungen weit auseinander liegen, müssen die Bewohner für uns unvorstellbar lange Wege zu Fuß zurück legen zur Schule, zur Krankenstation, zum Markt. Dennoch lieben die Menschen ihr Land, auch wenn Trockenheit und spärliche Vegetation ihre Not vergrößern.
Es dürfte kaum Hörer geben, die sich dem Bann der geschilderten Landschaft und der darin lebenden Menschen entziehen können. Ihre Armut und ihre Lebensumstände sind für uns z.T. fast unvorstellbar. Und doch erleben viele von ihnen in ihrem täglichen Überlebenskampf glückliche Momente, sei es angesichts von Naturschauspielen wie Sonnenauf- bzw. -untergängen, sei es angesichts der Solidarität anderer Dorfbewohner, die sie unterstützen, obwohl sie selber nicht genug zum Leben haben.
Das, was im Rezipienten nach dem Hören der Geschichten zurück bleibt, lässt sich wirklich nicht erzählen, weil man es kaum in Worte kleiden kann. Aber Kirsten Boie gelingt das Unmögliche, es dennoch auszudrücken. Sprecher, die die jeweilige Erzählung einfühlsam und ausdrucksstark vorlesen, verstärken die Wirkung auf den Hörer. Nachwort und Gespräch mit der Autorin vertiefen das Verständnis für die Geschichten, die Autorin und die Protagonisten. Die in den Erzählungen erwähnten Gedichte und Lieder sind ebenfalls im ""Anhang"" auf den beiden CDs zu hören und ziehen den Hörer in den Bann eines unbekannten Afrikas.
Das Hörbuch dürfte bei Jugendlichen wie Erwachsenen ihre Wirkung nicht verfehlen und hohen Gesprächsbedarf auslösen. Ihre Rezeption könnte manche Diskussionen um Entwicklungshilfe, Integrationsbemühungen oder Flüchtlingsproblematik näher an die Realität führen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Anmq.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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