Die Nacht des Elefanten

Autor*in
Baltscheit, Martin
ISBN
978-3-95939-038-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Sieg, katharina
Seitenanzahl
56
Verlag
Bohem Press
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Münster
Jahr
2016
Lesealter
0-3 Jahre4-5 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
18,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Die Angst in der Dunkelheit, die Furcht vor dem Unsichtbaren, das Gefühl der Einsamkeit, wenn man nachts nicht einschlafen kann - das alles sind typisch menschliche Erfahrungen. Wenn aber nun ein großer, starker und furchtlos wirkender Elefant von diesen Sorgen geplagt wird, dann stutzen wir. Wie der Elefant den Schrecken vor der Nacht verliert, davon erzählt diese anschauliche Parabel.

Beurteilungstext

Der große, starke und imposante Elefant erscheint eindrucksvoll und stolz. Wegen seiner körperlichen Erscheinung wirkt er auf alle anderen Tiere als Beschützer. Doch nachts, wenn es dunkel wird, findet er selbst keine Ruhe. Er fürchtet sich vor knirschenden, knackenden und raschelnden Geräuschen und vermutet schreckliche, unglaubliche Dinge, "die kein Elefant beschreiben kann. Die Dunkelheit frisst seinen Mut auf." Das Gefühl der Angst wird dann so überwältigend, dass ihn seine Beine scheinbar fremdgesteuert davontragen. Dann rennt er umher und seine Energien entladen sich in wilden Kraftakten, die eine Spur der Verwüstung hinterlassen. In der ersten Nacht schlägt er eine Schneise in den Wald, in der zweiten Nacht leert er einen ganzen Teich, in der dritten Nacht zerschmettert er den Porzellanladen. An keine der Taten kann er sich am Morgen erinnern. Durch die gewaltigen Zerstörungen bekommen wiederum die anderen Tiere große Angst und suchen in der vierten Nacht Schutz und zwar genau bei dem Auslöser allen Unheils. Nun muss sich der Elefant beweisen. In seiner Verzweiflung befragt er alle Tiere nach ihren abendlichen Ritualen. Das hält ihn davon ab, erneut nachtaktiv zu werden. Die Tiere wiederum bewundern den Elefanten für seine Aufmerksamkeit und Fürsorge. So fragt er sich durch die Nacht, ohne wegzulaufen und ohne brutalen Ausbruch. Nach diesem Erfolgserlebnis fällt er am Tag in einen tiefen Schlaf und merkt gar nicht, wie sich eine Elefantendame an ihn schmiegt, weil auch sie nicht schlafen kann. Mit ihr entwickelt sich eine neue Geschichte, die einen glücklichen Ausgang nimmt: Am Ende steht ein Elefantenbaby.

Die Erzählung beeindruckt durch eine prominente Metaphorik und durch ein Spiel mit den verschiedensten Stilmitteln sowohl auf Schrift- als auch auf Bildebene. Bereits die Tatsache, dass der Protagonist - ein gewichtiger Elefant - als Träger für die Diametrale von Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung steht, zeigt, dass nicht alles im Leben so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Gefühle und Empfindungen sind nicht mit Körperlichkeit gleichzusetzen. Sprachlich fällt die personifizierte Schreibweise auf: "Der Tag fällt wie eine Träne in ein Tintenfass", die schließlich ihren Höhepunkt in den realisierten Illustrationen findet und somit eine gelungene Verbindung von Inhalt und Form präsentiert.

Das bildnerische Leitmotiv ist die schwarze Silhouetten-Rahmung, die den Betrachter in das Wechselspiel von Tag und Nacht mitnimmt. Die Illustratorin arbeitet mit unterschiedlichen Farb- und Collagetechniken und hat mit Seiden- und Transparentpapieren am Leuchttisch konkrete und abstrakte Darstellungen der Szenerie erschaffen, die den Text nicht nur begleiten, sondern bildnerisch ergänzen. Hervorstechend ist zunächst der tiefschwarze Buchdeckel mit einer scharfkantig ausgestanzten Rahmung des Elefanten, die den Blick auf die Vielfarbigkeit bzw. Vielschichtigkeit der Hauptfigur lenkt. Des Weiteren fällt die letzte Seite in besonderem Maße aus dem Rahmen (des Buches). Die neue Geschichte zwischen dem Elefantenpaar wird hier nämlich auf einer aufklappbaren Doppelseite textlos und rein figurativ dargestellt. Das neue Leben ohne Angst wird also in einer rein bildlichen Rede erzählt und weist darauf hin, dass sich die Phantome in der Gemeinschaft zu anderen verflüchtigen.

Insgesamt verbindet dieses Bilderbuch gekonnt ethische, anthropologische und künstlerische Lernmomente und bietet somit auch für Erwachsene ein lohnenswertes Leseerlebnis.

Die Geschichte wurde bereits 2014 mit dem Deutschen Kurzfilmpreis ausgezeichnet. Die dazugehörige Visualisierung kann bei Youtube aufgerufen werden, wird dort aber durch andere Illustrationen ergänzt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 02.04.2018

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