Die Mühle. Thriller

Autor*in
Herrmann, Elisabeth
ISBN
978-3-570-16423-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
448
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2016
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
17,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

In der Schule hatte Lana sie immer bewundert: "The Court", die Clique um den geheimnisvollen Johnny, zwei Klassen über ihr. Im Studium trifft sie ihn unverhofft wieder. Er fällt ihr buchstäblich vor die Füße und muss danach ins Krankenhaus. Also darf Lana anstelle von Johnny nach Karlsbad reisen, wohin ein Unbekannter die Angehörigen der alten Clique in ein Luxushotel geladen hat. Doch bald stellt sich heraus, dass der scheinbar harmlose Wochenendtripp in Wirklichkeit eine tödliche Falle ist.

Beurteilungstext

Als Preisträgerin des Deutschen Krimi-Preises 2012, deren Romane regelmäßig verfilmt werden, hat sich Elisabeth Herrmann in der deutschen Krimilandschaft einen Namen gemacht. Regelmäßig erobern ihre Krimis und Thriller die oberen Ränge der Bestsellerlisten. Mit "Die Mühle" hat sie nun einen weiteren Roman vorgelegt, der in der Sparte Jugendbuch erscheint und vom Verlag als "all-age-Thriller" bezeichnet wird. Die Adressierung an junge Erwachsene scheint sich aus dem Alter der Protagonisten, die alle etwa zwanzig Jahre alt sind, zu ergeben sowie aus dem (derzeit in der KJL beliebten) Motiv der Wiedervereinigung einer Schulclique wenige Jahre nach dem Abschluss.

Herrmann stellt unter Beweis, dass sie ihr Handwerk versteht, denn "Die Mühle" ist ein spannender Roman mit Lesesog. Dass durch die Erzählstruktur, die Darstellung der Ereignisse aus der Retrospektive und durch zahlreiche entsprechende Kommentare von vornherein klar ist, dass Protagonistin und Ich-Erzählerin Lana ihr gefährliches Abenteuer überleben wird, tut der Spannung keinen Abbruch. Lana tritt immer wieder aus der Erzählung ihrer abenteuerlichen und lebensbedrohlichen Erlebnisse heraus und holt den Leser durch direkte Anreden quasi in die Gegenwart zurück. Dabei drängt sich in diesen Passagen zunehmend der Eindruck auf, als sei Lana in einer Therapie und die mit "ihr" angeredeten Adressaten vielleicht gar nicht die Leser, sondern die Angehörigen ihrer Therapiegruppe. Am Ende wird freilich offengelegt, dass Lana das Erlebte handschriftlich niederschreibt, um es zu verarbeiten.

Wie gesagt, der Roman verspricht spannende Lesestunden. Und doch hat er auch zahlreiche Mängel, die die Lesefreude dann doch trüben. Handlung, Figurenzeichnung und Raumsymbolik haben Potential, das allerdings viel zu wenig ausgeschöpft wird. So hätte der topische Handlungsraum Mühle, dessen Anspielungsreichtum im Cover sehr gut eingefangen wird, sicher viel mehr hergegeben (das nächtliche Bad im Mühlensee mit tödlichem Ausgang und die reißerische Szene um die Gefahr vom Mühlrad zermalmt zu werden, ist dann doch etwas wenig ‚Mühlenatmosphäre'). Ferner verbleibt die Protagonistin zu flach; das ihrer Figurenzeichnung innewohnende Potential eines schillernden Charakters, bei dem sich der Leser immer wieder unwillkürlich fragen muss, ob er ihm denn wirklich trauen kann, wird deutlich verschenkt. So erscheint Lana letztlich einfach nur unsympathisch und in hohem Maße naiv; warum sie Hals über Kopf in das Abenteuer stolpert, wird zu wenig plausibel gemacht. Dies gilt auch für die die letzten Kapiteln dominierende Liebesgeschichte, die anscheinend auch im Thriller nicht fehlen darf. Die weiteren Figuren schließlich sind holzschnittartig und stark klischiert; außerdem klafft eine Lücke zwischen dem Alter der Clique, bei dem bestenfalls ein erfolgreicher Bachelor-Abschluss vorausgesetzt werden kann, und der Darstellung der jungen Leute als im Business äußerst erfolgreiche Geschäftsleute, hinter deren schillernden Fassade u.a. die böse Fratze langjährigen Alkoholismus lauert. So war sich die Autorin beim Entwurf ihrer Figuren offenbar nicht sicher, welche Zielgruppe sie bei ihrem ‚all-age-Thriller' tatsächlich erreichen wollte und hat gleichermaßen mit Versatzstücken (amerikanischer) Schulgeschichten und allgemeiner (Unterhaltungs-)Literatur gearbeitet. So wirkt besonders der - eindeutig einschlägiger High-School-Literatur entnommene - Hintergrund der schulischen Vergangenheit rund um eine Clique von Schulstars aufgesetzt. Und auch die wieder kehrende Bezeichnung der Heimatstadt als "L." (scheinbar ein Provinznest, in dessen Schule sich Untiefen verbergen) birgt unfreiwillige Komik. Am ärgerlichsten freilich ist das Ende, so ist die Aufdeckung, wer hinter der Inszenierung rund um den Ausflug nach Karlsbad steht und besonders die Motivation des Täters hochgradig konstruiert. Dabei wird mehr oder weniger indirekt das Thema Schuld und Recht auf Selbstjustiz aufgeworfen und mit (aktuell beliebten) Themen wie Mobbing in der Schule und Auswirkungen falscher Anschuldigung sexuellen Missbrauchs verknüpft, was den Leser wohl zum Nachdenken anregen soll. Und da der Thriller ja schließlich als Jugendbuch erscheint und der Text damit offensichtlich auch einen didaktisch-pädagogischen Auftrag muss, wird auf den letzten Seiten in einer Reflexion Lanas auch noch explizit die Frage nach dem Bösen gestellt und auf die Texte großer Philosophen und Autoren verwiesen, denn Lana studiert nach dem Erlebten Philosophie, um dem Wesen der menschlichen Seele nachzugehen.

Fazit: "Die Mühle" verspricht spannende Unterhaltung und löst dieses Versprechen auch ein; dem Appell zum Nachdenken sollte man freilich nicht allzu stark nachgeben, könnte die Konstruiertheit des Textes doch sonst allzu sehr deutlich werden und des Lektüreerlebnis verderben.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von WiBe.
Veröffentlicht am 01.01.2017

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