Der einarmige Boxer

Autor*in
Kordon, Klaus
ISBN
978-3-407-82170-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
223
Verlag
Gattung
Ort
Weinheim
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
17,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die siebzehnjährige Jennifer trifft im Urlaub mit ihren Eltern den gleichaltrigen Milan - es ist Liebe auf den ersten Blick. Zwei Wochen genießen sie heimlich ihre innige Zweisamkeit und ahnen nicht, wie sehr sich ihr Leben verändern wird.

Beurteilungstext

Jennifer, genannt Feri, steht kurz vor dem Abitur, ihre Zukunft ist bestens geebnet, die schulischen Leistungen bieten ihr ein breites Berufsspektrum. Dennoch fühlt sie hinter ihren Freundinnen Edda und Caro in Bezug auf Lebens- und Liebeserfahrung zurückgeblieben, keine ihrer beiden bisherigen Beziehungen hat das erwartete Kribbeln im Bauch ausgelöst. Daher ist sie über sich selbst erstaunt, dass im Urlaub, den die gemeinsam mit ihren Eltern an einem einsamen Waldsee verbringt, beim Anblick des gutaussehenden Milan der Funk(n) sofort überspringt. Ohne ihre übliche Scheu macht sie sich auf die Suche nach dem Jungen, der zu einer Jugendgruppe gehört und in einer nahegelegenen Jugendherberge wohnt. Milan hat nur einen Arm und trainiert dessen Stärke durch Boxen. Nach einer vorsichtigen gegenseitigen Annäherung bekennen sie sich ihre tiefe Zuneigung, die sie bei abendlichen Spaziergängen, Gesprächen und engem Zusammensein im Wald und am See genießen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat Feri Geheimnisse vor ihren Eltern - für sie ein Zeichen der endlich eintretenden Abnabelung.
Nur zögernd gibt Milan die Umstände des Armverlusts preis, er lebt als Vollwaise in einem Heim in Hamburg, während Feri wohlbehütetes Einzelkind gut situierter Eltern aus Eschborn ist. Zwei völlig unterschiedliche Welten prallen aufeinander, für die die Liebe Brücken schlägt. Dies gilt auch für ihre Zukunftspläne, denn Milan absolviert eine Ausbildung zum Dekorationsmaler, Feri wird im nächsten Jahr nach dem Abitur studieren. Als diese nach Hause zurückkehrt, fühlt sie sich ungemein gereift, endlich erwachsen, begehrt von einem gut aussehenden jungen Mann. Doch nur wenige Wochen währt das neue Selbstbewusstsein - Feri ist schwanger, ihre heile Welt gerät ins Wanken. Was soll sie tun? Während ihre Eltern nach dem ersten Schock einen Abbruch als pragmatische Lösung ansteuern, ist sich Feri gar nicht so sicher, zumal Milan sich ganz spontan für ihr gemeinsames Kind entscheidet - aber ist sie nicht selbst noch ein Kind, dem als junge Mutter das Leben aus dem Ruder läuft? Feri durchlebt emotionale und psychische Berg- und Talfahrten, sie schottet sich immer mehr von Freunden, Eltern und ihrer Umwelt ab, wird kratzbürstig, gemein, ungerecht. Selbst ihre Beziehung zu Milan setzt sie aufs Spiel. Dabei rückt die entscheidende Frist für einen möglichen Abbruch der Schwangerschaft immer näher - warum nimmt ihr keiner diese Entscheidung ab? Ihr gewohnter Aktionismus und ihre Entschlossenheit erstarren, verschlíeßen ihr die Augen vor den eigenen Fehlern, machen sie einsam und unsicher. Erst als sie von Milans Betreuer aus ihrer Schockstarre gerissen wird, wird ihr klar, mit welch hohem Einsatz sie ‚gespielt' hat.
Der Leser erlebt Feris Unsicherheit, Misstrauen, emotionale Zerrissenheit und Flucht in die Isolation hautnah mit und wird somit Teil ihrer Entscheidung. Trotz aller gut gemeinten Ratschläge von außen liegt es an ihr, wie sie sich zur Liebe mit Milan und einer gemeinsamen Zukunft positioniert. Dennoch bleiben die Zweifel, ob sich diese Liebe bewähren und bewahren wird, die noch so jung ist und mit einer solchen Prüfung konfrontiert wird. Obwohl Feri die elterlichen Ratschläge ablehnt, so rechnet sie die deren finanzielle Unterstützung für die Gestaltung ihrer Zukunft mit ein - diesbezüglich zeigt sich Milan wesentlich realitätsbezogener, weil er selbst aus einer gescheiterten Zwei-Klassen-Beziehung entstammt. Während Feri sich selbst beweisen will und für sie die Liebe von Milan im Vordergrund steht, möchte er das positiv gestalten, worin seine Eltern gescheitert sind.
Mit dem Ja zum Ungeborenen und für eine gemeinsame Zukunft endet die Handlung, für den Leser bleiben viele Fragen zurück - sowohl für den jugendlichen als auch für den erwachsenen. An vielen Stellen wirkt Feri naiv, schüchtern, fast verklemmt, gerade wenn sie weder durch den Kauf von Verhütungsmitteln noch durch die Pille danach einer möglichen Schwangerschaft entgegensteuert, gleichzeitig spürt man deutlich den Drang, sich aus dem überbehütenden Kokon der elterlichen Fürsorge zu befreien. Das Buch wirft viele Fragen auf, die Jugendliche dieser Altersgruppe beschäftigen, die konträren Meinungen zu einer frühen Elternschaft spiegeln sich in den Aussagen der Freundinnen Edda und Caro wider. Als Leser, der an Feris innerer Zerrissenheit und Unsicherheit teilnimmt, wünscht man sich, dass in einer solchen Situation professionelle Beratung in Anspruch genommen werde. Daher hat der Plot einige Kanten und Ecken in seiner Schlüssigkeit, aber vielleicht sind gerade die es, die die jugendlichen Leser zum Nachdenken und Diskutieren anregen.

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Diese Rezension wurde verfasst von magic.
Veröffentlicht am 01.10.2016

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