Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Schlagwörter

• Emanzipation
• Gender/Geschlecht
• Nationalsozialismus

Teaser

Die fünfzehnjährige Paula lebt in einer angepassten nationalsozialistischen Familie in Münster. Sie umgibt eine scheibar heile Welt, bis sie mit der furchtbaren Wahrheit konfrontiert wird, dass ihr so lieber Vater als hoher Polizist der Gestapo ein zweites Leben führt . Als der Vater erfährt, dass sie heimlich Kontakt zu einer Halbjüdin gleichen Alters hat, wird für sie die Situation gefährlich und unerträglich.

Beurteilungstext

Bücher, in denen erzählt wird, wie Jugendliche während der Nazi-Zeit in einem Umfeld groß werden, das die Gefahr in sich birgt , selbst zum Täter oder zum Opfer zu werden, sind nicht selten (s.auch “Blumen für den Führer” von Jürgen Seidel, hier bei ajum.de für die Datenbank rezensiert).
Elisabeth Zöllner hat zu dem Thema ein neues , sehr ergreifendes Jugendbuch geschrieben. Die fünfzehnjährige Paula agiert in den Buch als Ich-Erzählerin. Sie wohnt in Münster in einer “intakten” Familie, in der Eltern und Bruder ein ganz normales Leben im faschistischen Deutschland führen. Der Vater arbeitet als Offizier im Polizeidienst (Gestapo), die Mutter ist als deutsche Hausfrau auch in der NS-Frauenschaft tätig, der Bruder strebt bei der HJ zu höheren Weihen und Paula selbst zeichnet sich bei der BDM durch Disziplin und Zuverlässigkeit aus, so dass sie bald eine erste Führungsposition in der Organisation bekommt. Niemand in der Familie hat einen kritischen Blick auf den beginnenden Terror der Faschisten gegen Andersdenkende und die Juden. Auch als die Familie in eine Villa zieht, die der Vater angeblich günstig gekauft hat,- der wissende Leser weiß, dass es sich um jüdischen Besitz handelt, der enteignet wurde-, wird niemand in der Familie misstrauisch. Erst ganz allmählich spürt Paula, dass mit ihrer besten Freundin Mathilda , die aus vermögenden Kreisen der Stadt gehört, etwas nicht stimmt. Mathilda ist Halbjüdin, ihre Familie wird ebenfalls enteignet, verfolgt und auch die beste Freundin darf sich nicht mehr mit Paula in der Öffentlichkeit zeigen. Die beiden Mädchen verkehren nur noch über einen geheimen Briefkasten miteinander. Als Paula erfahren muss, dass ihr geliebter Vater als Gestapoangehöriger aktiv an der Verfolgung der Juden beteiligt ist , gerät ihr Weltbild völlig aus den Fugen. Als sie dem Vater den Zufluchtsort von Mathilda und deren Familie nicht verraten will, kommt es zur Katastrophe. Nur mit Mühe gelingt es der Mutter ihre Tochter vor dem Jugendstraflager zu verschonen. Als Alternative schickt sie der Vater in ein Nonnenkloster, in dem sie hart arbeiten muss und keine Verbindung zu ihrer Umwelt hat.
Im Nachwort zu dem Buch erfährt der Leser, dass der Erzählung um Paula eine wahre Geschichte zugrunde liegt. Sie geht auf den Bericht einer alten Dame zurück, die in den USA lebt und die Autorin gebeten hat, ihr Schicksal zum Gegenstand eines Romans zu machen.
Diese nicht einfache Aufgabe hat Elisabeth Zöllner erfolgreich zu lösen versucht. Sie gruppiert um die Protagonistin zahlreiche Nebenfiguren, durch die es ihr gelingt Einblicke in das Alltagsleben im faschistischen Deutschland zu gewinnen.
Es gelingt der Autor, dem Leser das Schicksal von Paula emotional ergreifend zu gestalten.
Das Buch eignet sich in besonderem Maße als Zusatzlektüre für den Ethik- und Geschichtsunterricht.