Stell dir vor, es wäre Frieden

Autor*in
Engelmann, ReinerFreund, Claudia
ISBN
978-3-570-31570-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
224
Verlag
cbj/cbt
Gattung
Taschenbuch
Ort
München
Jahr
2023
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Büchereididaktisches Material
Preis
10,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Am 24.02.2022 ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt. In der Ukraine fallen Bomben, fliehen die Menschen in Schutzkeller, stehen sich Soldaten an einer langen Front gegenüber, werden beinahe täglich Beweise für Kriegsverbrechen gefunden. Krieg ist für uns alle wieder zur Realität geworden, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Wo bleibt der Frieden in dieser Zeit? Was überhaupt ist Frieden, durch wen und wie wird es aufs Spiel gesetzt? 20 Autorinnen und Autoren setzen sich etwa 30 sehr unterschiedlichen Texten mit dieser Frage auseinander.

Beurteilungstext

Claudia Freund nähert sich in Gedichten dem Unfassbaren – dem Krieg, den Menschen gegen ihre Mitmenschen führen; Safiye Can setzt dasselbe Thema in Collagen um. Wolfgang Böhmer führt in seinem Essay den Leserinnen und Lesern vor Augen, dass diverse Kriege auf allen Kontinenten für hunderte Millionen Betroffener „alltäglich“ sind, dass sie nur von großen Teilen der Welt vergessen und verdrängt werden. Auch Gerhard Trabert nähert sich dem Thema essayistisch an – er schildert eigene Erlebnisse in Kriegsgebieten, berichtet von seiner Angst und Hilflosigkeit und verdammt mit leidenschaftlichen Worten die Formulierung „Kollateralschaden“, indem der das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung schildert. Viele der Autorinnen und Autoren des Sammelbandes umkreisen in kurzen und mittellangen erzählerischen Texten das Thema Krieg versus Frieden. Der bekannte Jugendbuchautor Christian Linker zum Beispiel führt einen fiktiven Dialog mit einem bosnischen Jungen, den er Murat nennt, der ebenso hingebungsvoll wie er selbst Fußball spielte und der Opfer des Massakers von Srebrenica wurde – dem letztlich auch der Vater des Erzählers zum Opfer fiel, der seinen Einsatz als Blauhelmsoldat psychisch nicht bewältigen konnte und sich das Leben nahm. Imre Török berichtet erzählerisch von einer jungen, in Deutschland aufgewachsenen Kurdin, die freiwillig in den Krieg der kurdischen Bevölkerung gegen die Mörderbanden des „Islamischen Staats“ zog und dort ums Leben kam. In einer ebenso starken wie brutalen und erschütternden Geschichte zeichnet Inge Bell das Schicksal einer jungen Rumänin nach, die entführt und in Nord-Mazedonien zur Zwangsprostitution gezwungen wurde – ihre „Kunden“ waren ausgerechnet Soldaten einer UN-Friedensmission. Viele weitere Erzählungen schildern in bedrückender und aufrüttelnder Weise, wie kriegerische Konflikte in das Leben der Menschen eingreifen, es zu einer Hölle auf Erden machen. Dabei kreisen alle der Texte um die Frage, wie Krieg, Entrechtung und Unterdrückung, Vertreibung und Flucht, Nationalismus und Fanatismus in grauenvollen Verflechtungen ein normales Leben unmöglich machen. Die Schauplätze sind verschieden – natürlich steht der russische Überfall auf das Nachbarland Ukraine im Fokus, aber es geht auch um die Kriege im auseinanderfallenden Jugoslawien der neunziger Jahre, um die Kriege und Bürgerkriege in Afrika, zum Beispiel in Eritrea, um die Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg und seine Nachwirkungen, um die Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Meist wird Krieg am konkreten Beispiel Betroffener erfahrbar gemacht. Neben der Darstellung der Kriegsgräuel widmen sich die versammelten Autorinnen und Autoren aber auch ganz besonders der Frage, die dem Buch den Titel gegeben hat: Was ist eigentlich Frieden? Ist es „nur“ die Abwesenheit von bewaffneten Kämpfen und Gewalt – oder nicht vielmehr eine Haltung, eine Einstellung und Überzeugung, ein Modus des Umgangs von Menschen miteinander? Das Buch versucht nicht zuletzt, dem öffentlichen Diskurs, der seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine immer mehr von Diskussionen um Aufrüstung, Bewaffnung, Militärbündnissen etc. geprägt ist, eine Art Gegengewicht entgegenzusetzen – dass es ganz besonders darauf ankommt, über Möglichkeiten des friedlichen Zusammenlebens nachzudenken und sie in die Realität zu überführen. Dieses Anliegen macht das Buch so wertvoll – auch wenn die Texte sicherlich rein literarisch von unterschiedlicher Qualität und Dichte sind.

Anmerkung

Das Buch eignet sich ganz besonders dafür, Lehrkräften die Möglichkeit der Auswahl einzelner Texte zu geben, wenn sie mit Klassen, Kursen oder Arbeitsgemeinschaften das Thema Krieg versus Frieden, aber auch zu anderen Themen der Weltpolitik arbeiten. Manche Texte bedürfen einer sorgfältigen Vorbereitung und Begleitung, weil sie hochgradig brutale und traumatische Konstellationen darstellen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPKJ; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 11.06.2023

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