So fern wie nah

Autor*in
Boyne, John
ISBN
978-3-596-85650-3
Übersetzer*in
Jakobeit, BrigitteTichy, Martina
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
253
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2014
Lesealter
12-13 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Alfie ist 5, als der 1. Weltkrieg beginnt, 9, als er endet. Sein Vater ist da schon lange verschwunden und er entdeckt, dass die Mutter ihm verheimlicht, dass er ganz in der Nähe von London in einem Hospital sitzt, traumatisiert vom Krieg. In einer aberwitzigen Mission befreit der Sohn den Vater und verliert ihn auf dem Bahnhof, weil die Zugtüren knallen wie Kanonen. Der Vater ist aber doch so gesund, dass er auch alleine nach Hause findet.

Beurteilungstext

Boynes Stärke ist die Schilderung der Psyche eines Neunjährigen. Absolut stimmig beschreibt er die Gewissenskonflikte des Jungen, als er gegen alle Erwachsenenmeinung versucht, den kranken Vater erst ausfindig zu machen, und dann seinen Entschluss, den psychisch gestörten Mann zu sich nach Hause zu holen. Natürlich funktioniert nichts so, wie er es geplant hat, natürlich stößt er auf Probleme, die er nicht vorher gesehen hatte, er ist eben erst Neun. Aber er kann denken, er ist nicht auf den Kopf gefallen, und Boyne kann gut beschreiben, was in einer letztlich eben auch Abenteuersituation in ihm vorgeht. Gleichzeitig ist Alfie nicht mehr einfach nur Kind. Er entwickelt Verantwortungsbewusstsein - er verdient ohne Wissen der Mutter Geld als Schuhputzer auf dem Bahnhof und er weiß, dass dem Vater am besten damit gedient ist, wenn er Zuhause ist. Er geht dabei Risiken ein, die ein behütetes Kind von heute gar nicht mehr kennen lernen wird. Gleichzeitig entwirft Boyne ein Zeitkolorit, das den Kindern von heute unbedingt zur Kenntnis gebracht werden muss: Kriegsbegeisterung und -hysterie, das allgegenwärtige Feindbild, der Popanz der Spionageangst, die Xenophobie, die dazu führt, dass völlig Unbescholtene nur wegen ihres Namens, ihres Aussehens oder ihres Akzentes für Jahre ins Internierungslager kamen - wir sind in London, in Deutschland wäre das alles noch extremer verlaufen. Aber die Grundhaltung war in allen Ländern gleich.
Schwieriger ist es aber mit dem ersten Teil, in dem Boyne das Kind eigentlich nur handeln lässt, indem es sich auf frühere Kindheitserlebnisse beruft. So funktionieren Kinder nicht, sie leben im Hier und Jetzt. Ihre Erfahrungen sind zwar Grundlage ihres Lebens und Erlebens, aber sie denken nicht darüber nach. Zum zoon historikon wird der Mensch erst mit der Fähigkeit zu abstrahieren - selbst für den Neunjährigen kommt das nur in konkreten Zusammenhängen, in Situationen zum Tragen, in denen er entscheiden muss zwischen Tun oder Nichttun. So zieht sich die ganze erste Hälfte dieser ansonsten lesenswerten Geschichte unnötig mühsam dahin.
Umso glaubhafter wird der kleine Held dann aber, wenn er gegen alle Widerstände den Vater ausfindig macht und sein Ziel erreicht. Das ist Abenteuerroman und Kriegergeschichte der anderen Art.
Cjh14.04

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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