Sem und Mo im Land der Lindwürmer

Autor*in
Nilsson, Frida
ISBN
978-3-8369-6149-3
Übersetzer*in
Buchinger, Friederike
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Kuhlmann, Torben
Seitenanzahl
400
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/RomanFantastik
Ort
Hildesheim
Jahr
2022
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreVorlesen
Preis
22,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eine spannende und tiefgründige Abenteuergeschichte für Kinder und Erwachsene.

Beurteilungstext

„Was ist eigentlich ein Mensch? Hier bin ich, mit einer Waffe in meiner Hand und dem Wunsch, zu töten. Bin ich ein Raubtier? Ein Held? Ich, Samuel. Ich, Sem. Der zittert, wenn er eine Ratte fangen soll. Wie muss man sein, um sich selbst zu mögen?“

Es sind die ganz großen Fragen, die Frida Nilsson in diese fantastische Abenteuergeschichte packt. Dem Ich-Erzähler Sem wird darin alles abverlangt. Und dabei ist er erst elf. Sein Bruder Mo ist acht und schon mit den ersten Sätzen des Buches benennt Nilsson den Kern dieser Geschichte: “Er ist das Beste, was es gibt, finde ich. Ich habe ihn einfach unglaublich lieb.“ Im Leben der beiden ist nichts richtig und Sem ist völlig überfordert. Die Eltern sind tot, ihre Tante Tyra hat sie nur aus dem Waisenhaus geholt, um sie als kostenlose Arbeitskräfte zu missbrauchen. Charles Dickens lässt grüßen! Als die Tante zum ersten Mal nicht nur ihn, sondern auch den oft widerspenstigen kleinen Bruder schlägt, ist Sem verzweifelt und voller Schuldgefühle. So lassen sich die Brüder von einer sprechenden Ratte ins Land der Lindwürmer locken.

In der Burg der Lindwurmkönigin Indra herrschen seltsame Zustände: sie hat ein Dachspaar, eine Füchsin, die Ratte und einen Bären mit einem Bann belegt. Die Tiere laufen mehr schlecht als recht in Menschenkleidern herum und müssen die Haus- und Hofhaltung führen, obwohl es sie sichtlich Mühe kostet, dem animalischen Trieb zu widerstehen. Indra ist die letzte ihrer Art.

Menschen und Lindwürmer haben offenbar Krieg geführt und sich gegenseitig fast vernichtet. Sem und insbesondere Mo werden aber zunächst freundlich aufgenommen und dürfen zum ersten Mal im Leben nach Herzenslust essen und spielen. Indra wünscht sich ein Kind und zieht Mo völlig in ihren Bann. Sem ist schnell völlig isoliert. Schon bald erfährt er, dass Indras Kinderwunsch mit Mos Leben bezahlt werden soll. Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt. Dabei wird Sem herausfinden, welches Potential in ihm steckt. Er muss nicht nur Indra töten, sondern vor allem seinen inneren Drachen der Angst und sein Gefühl der Minderwertigkeit und der Schuld besiegen.

„Sem und Mo im Land der Lindwürmer“ ist ein Buch, das mehrfach gelesen werden kann und sollte. Wichtige Lebensfragen und -widersprüche werden hier thematisiert und ausgelotet, ohne in einen Schwarz-Weiß-Modus oder gar Kitsch zu verfallen. Was macht den Menschen zum Menschen und das Tier zum Tier? Können Tiere empathisch sein? Bin ich bereit, für das, was ich liebe, zu töten und zu sterben? Kann etwas eindeutig gut oder böse sein?

Vordergründig haben wir es hier nach „Siri und die Eismeerpiraten“ (2018) und „Sasja und das Reich jenseits des Meeres“ (2019) wieder mit einer sehr düsteren Story voller ambivalenter Charaktere zu tun. Tatsächlich ist es aber eine große Stärke des Buches, dass Frida Nilsson sich an diese Düsternis und an diese existentiellen Fragen herantraut und sie den Leser*innen zumutet. Dunkles, Einsamkeit und Verzweiflung sind Teil unseres Lebens. Sie lassen sich beim Lesen gut aushalten, weil ihr Held beharrlich an die Kraft der Liebe glaubt und Gefährten findet, die ihn bestärken. Und weil die Geschichte spannend erzählt wird.

Auch Erwachsene werden viel Nachdenkenswertes entdecken und auf eine Fülle von Bezügen stoßen. Ein großartiges Symbol ist der Drachen, den Sem für seinen Bruder baut. Er verweist auf die Freiheit des Menschseins, auf Spiel und Leichtigkeit. Am Ende erwartet die beiden eine richtige Heimat in einem roten Haus, wie Sem es sich immer erträumt hatte. Hier lässt Sem den Drachen wieder steigen, nachdem er den Lindwurm getötet hat. Und es ist wunderbar zu lesen, wie Frida Nilsson mit großem Ernst hier jeden Kitsch umschifft. Die Annäherung an das neue Zuhause erfolgt vorsichtig und Mo bleibt der widerborstige kleine Bruder. Aber Sem muss nicht mehr allein die Verantwortung für ihn tragen, kann sich auf sich selbst besinnen und darauf, wie er sein Leben gestalten möchte. Die Überforderung hat ein Ende.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ame; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 12.10.2022

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