Schwarzes Wasser

Autor*in
Beyerlein, Gabriele
ISBN
978-3-522-18199-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
341
Verlag
Thienemann
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2010
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Hans erlebt nach der 1848er Revolution Hunger und Not, sein Vater ist verschollen. Lisbeths Vater ist seit einem Jahr infolge der Revolution in Haft. Beide ziehen auf der Suche nach den Vätern nach Mannheim, sie erfolgreich: der
Vater wird freigesprochen, Hans erfährt, dass seiner nach Amerika ausgewandert ist. Beider Familien ziehen zusammen, bis beide Kinder flügge werden. Eine spannende Geschichte aus Baden um Auswanderungspläne, Landarbeit, Fabrik- und Kinderarbeit.

Beurteilungstext

Im Nachwort dieses überaus lesenswerten Buches um die nachrevolutionäre Welt im Schwarzwald vor 160 Jahren beschreibt die Autorin, welche Unmengen von Deutschen, besonders auch aus Baden, in die USA ausgewandert sind. Es gab einfach keine Lebensgrundlage für große Teile der Bevölkerung mehr. Der Gründe gab es viele, sehr eindringlich beschreibt Gabriele Beyerlein die Nöte der armen Flößerfamilie irgendwo aus dem Schiltachtal: der arbeitswillige und -fähige Vater muss das Land verlassen, weil er hier keine Chancen mehr hat, die Mutter muss ihr Erbe fast völlig verkaufen (es bleibt ihr nur die armselige Hütte) und kann die Restfamilie dennoch nicht mehr ernähren, für die fünf Kinder ist Arbeit sowieso selbstverständlich. Die Bauern nutzen sie aus, setzen sie nach Belieben vor die Tür, die Fabrikarbeit ist extrem (auch für die Kinder: 14 Stunden, sechs Tage in der Woche, unglaublicher Dreck, unglaublicher Lärm), Alternativen gibt es nicht. Da der Vater ohne ein Wort verschwunden ist, soll und will der älteste Sohn ihn in Mannheim suchen. Gleichzeitig sucht die ebenfalls 12-jährige Wirtsmagd ihren Vater, der in Mannheim wegen seiner Teilnahme an der Revolution vor Gericht gestellt werden soll und seit einem Jahr in Haft sitzt. Die beiden finden sich und ziehen in einer abenteuerlichen Reise in die ferne Stadt: mit der kürzlich erbauten Eisenbahn. Dort findet Lisbeth bald ihren soeben frei gesprochenen Vater, Hans erfährt immerhin, dass sein Vater mit Sicherheit nach Amerika gefahren ist.
Lisbeths freier Vater baut Musikautomaten und hat soviel Grundbesitz, dass er Hans mitnehmen kann und dessen ganze Familie aus ihrer Fabrikfronarbeit befreit. Schließlich gehen Hans und Lisbeth, noch bevor sie so etwas wie eine Liebe empfinden, ihre eigenen Wege.
Ich finde es geradezu unglaublich, wieviel historisches Wissen die Autorin so ganz en passant in ihre Geschichte einbaut: wir lesen, wie ein Flößer arbeitet, welchen Gefahren er ständig ausgesetzt ist, dass er im Winter die Bäume einschlägt, die er im Sommer vom Schwarzwald über die Wildbäche in den Rhein und dann bis nach Rotterdam flößt; wir lesen von den rechtlosen Landarbeitern; vom Hunger und der grassierenden Kartoffelfäule; vom Lärm und Dreck und den Arbeitsbedingungen in einer Spinnerei; von der beginnenden Uhrenindustrie im Schwarzwald, der Produktion von Musikautomaten (beides Quellen der Elektroindustie der Nachkriegszeit: SABA, Dual, PE; Kienzle etc.); von der Kinderarbeit; von den Flüchtlingsströmen in die USA (übrigens nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge, auch die gescheiterte 48er Revolution trieb viele aus ihrer Heimat ). Und man erschrecke nicht bei dieser Fülle von Problemkreisen: man erfährt davon, aber unter der Decke einer spannenden Geschichte vom Überlebenskampf zweier Familien und einer unschuldigen Kinderliebe. Dazu ist Beyerlein einer Sprache mächtig, die Probleme nicht glättet, sie aber nicht in den Vordergrund stellt und dennoch leicht lesbar bleibt. Wie im wirklichen Leben sind die kleinen Probleme im Vordergrund, die, deren man Herr werden kann. Die Ursachen bleiben im Hintergrund, werden nicht verschwiegen, lösen auch manches Erstaunen aus (nicht nur beim Leser, auch bei den Protagonisten) und bilden zunehmend den Charakter der Helden: sie werden selbständig, handeln autonom - erst unfreiwillig, einfach weil ihnen nichts anderes übrig bleibt, später aber wird das ein Wesenszug: sie nehmen ihr eigenes Leben in die Hand.
Und das ist doch ein tolles Rüstzeug und Vorbild für jeden jungen Leser.
Nachwort und Glossar erläutern noch einmal klar alle Fragen, die bei der Lektüre auftauchen könnten. cjh11.4

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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