Berlin, Bülowstr. 80a

Schlagwörter

• Arbeitswelt
• Emanzipation
• Historisches

Teaser

Sophie von Zietowitz heiratet weit unter ihrem Stand den Arzt Friedrich Schneider. Von nun an ist sie im Haushalt mit drei Kindern beschäftigt und sorgt für die Vergrößerung der Praxis ihres Mannes. Dabei merkt sie, dass ihr etwas fehlt. Nach einer kurzen, stürmischen Affäre mit dem jüdischen Assistenzarzt Alexander Wiesenthal kehrt sie zwar zu ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter zurück, kann aber jetzt auch ihrer Berufung zur Schriftstellerin folgen

Beurteilungstext

Detailgenau und engagiert schildert G. Beyerlein die Lebensumstände einer verarmten Adligen im Wilhelminischen Zeitalter. Nicht nur das Korsett schnürt Sophie ein, sondern auch Konventionen, die jede spontane Gefühlsäußerung verbieten. Das ganze Leben ist von einer strengen Etikette bestimmt. Ziel ist es, die jungen Mädchen in Unschuld und Unwissenheit zu halten, damit sie einen adäquaten Lebenspartner finden. Und auch nach der Hochzeit bestimmen Konventionen und Etikette jede Handlung der Eheleute. Viel wird verschwiegen oder auch unter den Teppich gekehrt. Mit Sigmund Freuds "Traumdeutung" ändern sich die Zeiten. Die Kleider fallen jetzt locker, die Wohnungseinrichtungen werden jetzt heller und damit freundlicher. Auch der Abstand zwischen den Schichten wird geringer. Nun kann auch Sophies Tochter Lotte ihrem Berufswunsch folgen und Ärztin werden. Die Frauen sind auf dem Weg, sich zu emanzipieren. Durch ihre außergewöhnlich genaue Recherche und gute Sprache ist der Autorin eine hervorragende Darstellung der damaligen Umbruchszeit gelungen. Da in einem "Ausblick" der weitere Lebensweg fast aller im Buch vorkommenden Personen aufgelistet ist, erreicht Beyerlein eine solche Wirklichkeitsnähe, dass man glaubt, es habe Sophie und ihre Familie wirklich gegeben. Fehler S. 237: Der Titel von E. Marlitts erstem Roman lautet "Das Geheimnis der alten (nicht kalten) Mamsell".