Louisianas Weg nach Hause

Autor*in
DiCamillo, Kate
ISBN
978-3-423-76287-8
Übersetzer*in
Ludwig, Sabine
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
208
Verlag
dtv
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2020
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Louisiana wächst bei ihrer Granny auf. Die beiden leben in prekären Verhältnissen, geprägt von Grannys Erzählungen vom Fluch ihres Vaters, der sie dazu verdammt habe, immer "entzweit" zu sein, nie lang anhaltende Beziehungen mit Menschen aufzubauen. Trotz des Fluches hat Louisiana gute Freundschaften geschlossen und ist verzweifelt, als Granny sie eines frühen Morgens ins Auto setzt und einfach wegfährt.

Beurteilungstext

Granny sagt, sie müsse nun endgültig den Fluch besiegen, es seien Vorkehrungen getroffen worden, und deshalb müsse Louisiana einfach ihre Freundinnen und Hund und Katze zurücklassen. Ohne Geld, aber mit einem gut entwickelten Talent zum Durchschnorren, gelangen die beiden zumindest aus Florida bis in den Nachbarstaat Georgia, wo sie wegen Grannys großer Zahnschmerzen stranden. Louisiana ist schon daran gewöhnt, sich ohne Geld durchzumogeln: Beim Zahnarzt gibt sie eine Fantasie-Adresse und einen falschen Namen an, weil sie natürlich die Rechnung nicht bezahlen können, und im Motel redet sie sich anfangs noch erfolgreich heraus. Doch als Granny plötzlich verschwindet und ihr nur einen langen Brief hinterlässt, wird die Situation für das Mädchen zu schwierig. Noch dazu schreibt Granny ihr, sie sei nicht ihre richtige Granny und sie hätte Louisiana im Hinterausgang eines Billigladens gefunden. Alle bisherigen Geschichten über die Eltern, die als Trapezkünstler sehr erfolgreich waren, dann aber verunglückt sind, waren nicht wahr. Immerhin bedeutet das, dass Louisiana nicht vom "Entzweiungsfluch" betroffen ist, ist sie doch keine leibliche Verwandte von Granny, folglich keine Nachfahrin des angeblich verfluchenden angeblichen Urgroßvaters.
Trotzdem ist die Lage schwierig, aber da Louisiana zufällig einen gleichaltrigen Jungen kennengelernt hat, Burke Allen, und dessen herzensgute und tatkräftige Familie, wird ihr geholfen. Es fällt ihr nicht leicht, anderen gegenüber zu zeigen, dass sie Hilfe braucht, denn ihr Leben lang hatte Granny ihr eingeschärft, sie müssten aufpassen, dass die Behörden nicht erfahren, wie schwierig die Lage und wir unklar die Familienverhältnisse sind, denn sonst würde Louisiana in ein Kinderheim kommen. Und dort, das wusste Granny aus eigener leidvoller Erfahrung, ist es furchtbar.
Doch Burke Allens Eltern und auch der Pastor sind beharrlich, und so erfahren sie die ganze Geschichte. Und finden eine Lösung: Louisiana kann bei der Familie Allen bleiben, ihre Freundinnen aus Florida kommen gelegentlich zu Besuch, sie selbst kann dort auch mit ihrer neuen Familie zu Besuch kommen.
Kate DiCamillo hat sich hier wieder dem Schicksal der vielen Menschen, die nicht nur in den USA wirtschaftlich und sozial/emotional prekär leben, angenommen. Auf die für sie typische Art erzählt sie poetisch verdichtet und märchenhaft ausgestaltet, wie in einer eigentlich ausweglosen Situation eine Lösung gefunden wird, wenn Menschen sich einander zuwenden. Typisch ist für sie auch, dass den ersten Kontakt, der für diese Lösung notwendig ist, Kinder aufnehmen, so wie hier Burke und Louisiana.
Besonders ist an dieser Geschichte, dass Granny zumindest für die erwachsenen Mitleser*innen, aber sich auch für viele lesende Kinder, psychisch labil ist und sich in eine Art Wahnvorstellung verrannt hat. Aber auch, wenn Louisiana sehr wütend ist und die Fahrt von Anfang an unbedingt abbrechen möchte, wird Granny nicht abgeurteilt. Es bleibt offen, wie genau ihr Leben verlief, warum sie in diese isolierte Lebensweise ohne jedes regelmäßige Einkommen geraten ist. Ob ihr Vater wirklich Zauberer war und mitten in einer Vorstellung davon gegangen ist, ohne den Zaubertrick, bei dem die Mutter (scheinbar? tatsächlich?) in einer Kiste durchgesägt wurde, zu beenden und aufzulösen? Gab es ihn überhaupt? Oder ist Granny, Findelkind wie Louisiana, vielleicht schon von Geburt an im Waisenhaus gewesen?
Wir erfahren auch nicht, wo Granny hingegangen ist, ob sie ihr Ziel erreicht hat, den Ort Elf Ear, in dem angeblich die Geschichte des Entzweiungsfluchs ihren Anfang genommen hat. Aber wir erfahren, dass Louisiana ihr verzeiht, die Lügen ebenso, wie dass sie sie aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen hat, und dass sie sie liebt - und das dauerhaft kann, da kein Entzweiungsfluch auf ihr lastet.
Louisiana erzählt in der Ich-Form und lässt uns an ihren Gefühlen, Sorgen, Hoffnungen teilhaben. Die Erzählung ist retrospektiv, wodurch bereits am Anfang deutlich wird, dass es wohl eine Auflösung, ein Happy End gegeben haben wird. Aber durch die emotionale und atmosphärische Dichte, mit der das Mädchen erzählt, sind wir Leser*innen in das Geschehen eingewoben und erleben die beängstigenden ebenso wie die schönen Momente mit ihrer inneren Spannung mit. Louisiana ist eine starke Persönlichkeit, man sieht, was Granny ihr trotz ihrer Verschrobenheit an Stärke mitgegeben hat. Stellvertretend für diese Stärke und eine Fähigkeit, bei sich zu sein, trotzdem Ausstrahlung nach außen zu haben, ist Louisianas sängerisches Talent. Ihre Stimme verzaubert alle, selbst die miesepetrigsten Menschen der kleinen Stadt.
Dieses wunderbare Buch ist ebenso wunderbar von Sabine Ludwig übersetzt worden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Gudrun Stenzel; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 14.08.2020

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