Himmel ohne Sterne

Autor*in
Schröder, Rainer M.
ISBN
978-3-570-17222-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
---
Illustrator*in
Seitenanzahl
572
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2015
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Deutschland, September 1946: Als die jugendliche Holocaustüberlebende Leah allein durch München irrt, trifft sie zufällig Jannek wieder, dem sie aus Kindertagen kennt. Er hat ebenfalls den Genozid überlebt. In ihrer Alternativlosigkeit in Deutschland schließen sie sich der jüdischen Organisation Hagana an, um den Staat Israel aufzubauen.

Beurteilungstext

Üppige 572 Seiten umfasst Rainer M. Schröders historischer Roman „Himmel ohne Sterne“, darunter 22 Seiten Nachwort und Literaturverzeichnis.
Einleitend ist festzustellen, dass „Himmel ohne Sterne“ die solide Handschrift Schröders trägt und er sich seinem Stil treu bleibt. Mit anderen Worten: Wer literarische Experimente sucht, der liegt hier falsch. Aber es erwartet ihn ein spannender Roman, der sich trotz seiner Fiktionalität aus vielen kleinen, historisch sauber recherchierten Mosaiksteinchen zusammensetzt.
Schröder gliedert seinen Roman in drei große Teile, die die Zeiträume von September bis November 1946, November 1946 bis Januar 1947 und Januar 1947 bis Juni 1948 erfassen. Jeder Teil gliedert sich in zahlreiche Kapitel von unterschiedlichem Umfang. Im ersten Teil gibt es zwei Handlungsstränge die jeweils überwiegend personal aus der Sicht einer Figur erzählt werden. Zum einen ist das die junge Frau Leah, die als KZ-Überlebende einsam und ziellos durch München streift, bis sie dort auf den geringfügig älteren, ehemaligen Nachbarjungen Jannek trifft. Beide teilen das gleiche Schicksal und entschließen sich, der jüdischen Untergrundorganisation Hagana beizutreten, um illegal in das britische Mandatsgebiet Palästina einzuwandern und einen jüdischen Staat mit aufzubauen.
Zum anderen wird die Geschichte von der gleichaltrigen Sophie erzählt, die Nazi-Deutschland rechtzeitig vor der Shoa verlassen konnte und mit ihrer Familie in England lebt. An ihrem Beispiel wird der Umgang der englischen Behörden mit deutschen Juden expliziert, was sich in einer systematischen Ausgrenzung und dem gesellschaftlichen Abstieg (der Vater war Professor für italienische Literatur) zeigt, den vor allem die Mutter nur schwer verkraftet und der letztlich auch in dem Entschluss zur Emigration nach Palästina mündet.
Der zweite Teil erzählt vorwiegend von der Vorbereitung der Überfahrt in Frankreich, dem gescheiterten Versuch, die britische Seeblockade zu durchbrechen, der Internierung auf Zypern und letztlich der erfolgreichen Flucht sowie dem Erreichen des gelobten Lands. Im zweiten Kapitel werden die beiden Erzählstränge des ersten Teils zusammengeführt, denn bei Sophie und Leahs handelt es sich um Cousinen, deren Eltern aber im Streit auseinander gegangen waren.
Der dritte Teil zerfällt wieder in mehrere Erzählstränge, da sich sowohl Sophies Familie teilt als auch Leah und Jannek nach einem schlimmen Streit getrennte Wege gehen. Geprägt wird die Erzählung hier von der brutalen Gewalt zwischen Arabern und Juden im Krieg um die Vormacht im Land, die auch einige der Erzählerfiguren das Leben kostet.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Schröder den Mut hat, den Antisemitismus nicht als deutsches Phänomen darzustellen, und nicht nur zeigt, dass es unmittelbar nach dem Krieg noch Progrome gegen Juden in Polen und in England gab, sondern den offenen Antisemitismus der britischen Mandatsmacht in Palästina thematisiert. Zugleich greift er die feindselige Haltung auf, die den Überlebenden der Shoa teils von den eingesessenen israelischen Siedlern widerfuhr, die ihnen das Überleben zum Vorwurf machten oder der Ansicht waren, mit den Traumatisierten können man keinen neuen Staat aufbauen.
Zu den Figuren ist zu sagen, dass sie im Wesentlichen glaubwürdig angelegt sind. Insbesondere ist Jannek hervorzuheben, bei dem die Erlebnisse in den unterschiedlichen Konzentrationslagern zu einer tiefsten Traumatisierung geführt haben und der sich selbst die Liebe zu Leah verbietet. Das gipfelt in wüsten Beleidigungen und führt zum Bruch, als er Leah mit einem anderen Mann sieht. Warum Jannek so ist und sein Heil todesverachtend im Krieg gegen die Araber sucht, wird deutlich, als Leah ein Buch findet, das Jannek immer bei sich hatte. Es zeigt, dass der junge Mann um zu überleben selbst vom Opfer zum Täter wurde und sich an den Sonderkommandos beteiligte, die die in den Gaskammern Ermordeten verbrannten. Obwohl Leah ihn nach dem Fund an der Front aufsucht und sich versöhnt, kommt es nicht zum Happyend einer Liebe: Von Granatsplittern getroffen stirbt sie in seinen Armen. Einfach so, ohne melodramatische Worte. Schröder sei Dank. Damit setzt er einen passenden Schlusspunkt in einem Roman, in dem das Sterben allgegenwärtig war und in dem die männliche Hauptfigur nach dem Tod der Geliebten mit seinem Trauma weiterleben muss.
Bleibt am Ende trotz aller Recherche und der vielen Fußnoten nur eine einzige Ungereimtheit: Motte trifft sich mit Ari und verschlingt gierig sein Rührei mit Speck. Kein Schweinespeck oder sind dem Jungen die Essensgebote egal oder einfach ein Lapsus des Autors?
Alles in allem ist „Himmel ohne Sterne“ ein sehr gelungener Roman, der mit der Nachkriegsgeschichte in Palästina ein im Jugendroman wenig berücksichtigtes Thema spannend und, wie gesagt, sehr gut recherchiert, aufgreift. Allerdings ist bei dem Umfang ein gewisses Durchhaltevermögen erforderlich.

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Diese Rezension wurde verfasst von str.
Veröffentlicht am 01.01.2016

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