Evil - Das Böse

Autor*in
Guillou, Jan
ISBN
Übersetzer*in
Haefs, Gabriele
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
348
Verlag
Hanser
Gattung
Taschenbuch
Ort
München
Jahr
2005
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
19,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der 14jhrige Erik wird er von seinem Vater regelmässig geschlagen. In der Schule ist er Anführer einer Gang, die andere Schüler erpresst und drangsaliert. Als diese auffliegt, ist seine letzte Chance ein renommiertes Internat, in dem er als Sportler und sehr guter Schüler Erfolg hat. Das Terrorsystem, das die älteren Schüler mit Duldung des Rektors als "Kameradenerziehung" ausüben, kann er bei aller Stärke nicht durchbrechen. Aber er hält durch, kehrt nach Hause zurck, rechnet mit dem Vater ab

Beurteilungstext

Der schwedische Autor (geb. 1944) zählt zu den erfolgreichsten zeitgenössischen Autoren Skandinaviens und ist durch seine historischen Bücher, seine spannenden zeitkritischen Thriller und Fernsehauftritte bekannt geworden. Er selbst rechnet dieses Buch, das schon vor 24 Jahren in Schweden erschien, zu seinen besseren Büchern, einmal als Abrechnung mit seiner eigenen Schulzeit- die Schilderung sei in vielen Punkten autobiografisch. Zum anderen sei es nach dem Zeugnis vieler Schwedischlehrer geeignet, 16-jährige Schüler zum Lesen zu bringen.
In der Eingangsszene schildert der Autor die tägliche Prügelszene nach dem Mittagessen, die der Vater in sadistischer Weise inszeniert. Nur sein Hass macht Erik trotz aller Demütigung und Schmerzen bewußtlos für die unmenschliche Zuwendung. Diese Szene wird in der Schlussszene eindrucksvoll wieder aufgegriffen, wenn Erik die Tür hinter sich und dem Vater abschließt.
Das Gegengewicht zum prügelnden Vater und der Mutter, die schweigend seine tägliche Demütigung und Verletzung hinnimmt, bildet für Erik die Freundesclique in der Schule, mit der er andere ausnutzt, unter Druck setzt, prügelt, erpresst. Hier zeigt der Autor überaus deutlich, wie Gewalt aus erlittener Gewalt entstehen kann.
Bei Diebstählen in Geschäften werden Bandenmitglieder erwischt und die Mitglieder der Gang machen ihn zum Hauptschuldigen, der deswegen der Schule verwiesen wird mit dem Spruch des Rektors: Ihm fehle eine gehörige Tracht Prügel!
Damit ist der Leser/ die Leserin ganz eingestimmt auf das Thema des Buches: die Entstehung und Entwicklung gewalttätiger Strukturen und die Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.
Den Hauptteil machen Eriks Erfahrungen in dem Eliteinternat aus, das er dank Gelder der Mutter besuchen darf, um nach seinem Schulverweis noch eine Chance auf das Abitur zu haben.
Im Internat wird seine Fähigkeit, auch schlimme Schmerzen zu ertragen, zu einer seiner stärksten Waffen gegen die Folterungen und die Erpressungsversuche der älteren Schüler. Es gelingt ihnen nicht, ihn wie alle anderen in die Knie zu zwingen und bei ihren sadistischen Spielen und Regeln mitzumachen.
Auch wenn erst an einer späteren Stelle deutlich wird, dass die Geschichte Ende der 50er Jahren spielt - es wird wiederholt Bezug genommen auf das Naziregime in Deutschland und die Quislinge in Norwegen - sind die geschilderten Erfahrungen mit Terror, Mitläufertum zeitunabhängig. Auch das macht die Qualität des Buches aus.
An diesem Internat gibt es ein Terrorsystem der älteren Schüler über die jüngeren, vom Rektor geduldet, von den meisten Lehrern übersehen, von den Eltern negiert oder gut geheißen: als Vorbereitung auf leitende Positionen in der Gesellschaft müsse man zunächst gehorchen lernen! Guillou schildert in intensiven, oft quälenden Szenen, wie Schüler unter freudigem Gejohle der Zuschauer fertig gemacht werden. Das Regelsystem der Schule, die "Kameradenerziehung" basiert darauf, dass die Älteren alles mit den Jüngeren machen dürfen, während diese mit dem Rausschmiss bestraft werden, wenn sie einen der Älteren schlagen. Ein durch und durch faschistoides System!
Dagegen setzt der Autor Erik und seinen weichen Freund Pierre, die sich intelllektuell mit der täglichen Gewalt an der Schule und den Reaktionen ihrer Mitschüler auseinander setzen. Erik diskutiert mit Pierre, wie man das Böse bekämpfen kann, ob es eine nur intellektuelle Form des Kampfes wie Gandhis gewaltlosen Widerstand dagegen gibt. Diese Partien werden auch im Schriftbild abgesetzt und machen durch ihren reflektorischen Charakter manche der geschilderten Szenen erst ertragbar.
Der Autor verneint durch seinen Ablauf der Geschichte, dass man "das Böse" durch passiven Widerstand erfolgreich bekämpfen kann. Der Rückblick auf das Terrorregime der Nazis ist immer wieder spürbar.
Pierre hält nicht durch und flieht aus dem Internat, als die älteren Schüler ihm eine tägliche Hölle bereiten, um Erik(!) zur Aufgabe und zur Anerkennung des Regelsystems zu bringen. Erik hält die zwei Jahre durch, aber nur, weil er in den letzten Wochen eine Form des gewalttätigen, aber heimlichen Zuschlagens findet, die nicht zu seiner Entlassung führt. Eine Liebesgeschichte mit einem der finnische Dienstmädchen bringt beinahe trotzdem das vorzeitige Ende, aber auch eine Wendung zum Positiven: erstmals erhält er Unterstützung von außen durch einen Erwachsenen gegen das Unrecht, das ihm von seiten der Schule zuteil wird.
Auch wenn der Leser/ die Leserin erleichtert seine Abfahrt aus dem Internat, miterlebt, setzt sich das Unbehagen, die Angst vor einer derartigen Bedrohung fest. Auch die Schlusszene, die nur den Beginn der Abrechnung mit dem Vater enthält, unterstützt dieses widerstreitende Gefühl. Gibt es keinen positiven Lerneffekt aus den Greueln des Naziterrors? Was muss sich in einer Gesellschaft ändern, damit Kindern nicht derartiges Unrecht angetan wird, weder von Eltern, Schule noch Mitschülern? Kann man über solche Bücher das Bewußtsein einer Gesellschaft für gewaltlosen Umgang in Familie und Gesellschaft lernen? Hier setzt die heftige Diskussion um das Buch ein, das in jeder Gruppe ab 16 Jahren widersprüchliche Bewertungen auslöst.
Die anspruchsvolle Lektüre eines der erfolgreichsten schwedischen Autoren regt zu diesen Fragen an, ohne dass sie endgültig beantwortet werden.
Die Verfilmung wurde 2004 für den Oscar nominiert. Sie beschränkt sich auf die Internatsgeschichte.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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