Ein Haus für alle
- Autor*in
- Wölfel, Ursula
- ISBN
- 978-3-551-35350-4
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 442
- Verlag
- –
- Gattung
- –
- Ort
- Hamburg
- Jahr
- 2004
- Lesealter
- 10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Bücherei
- Preis
- 9,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Das Buch erschien bereits 1991. Es ist eine Familiensaga, die ihren Ursprung im bayerisch-östrereichisch-tschechischen Dreiländereck hat und im Ruhrgebiet ihr vorläufiges Ende nimmt. Der Zeitraum der Handlung währt von der Jahrhundertwende bis 1945, und es gibt drei wesentliche Handlungsteile.
Im ersten (1904-1921) wird die Kindheit der Protagonistin Dana erzählt, die als 5. Kind einer Bauernfamilie in der Nähe von Linz aufwächst. Die Mutter stirbt bei ihrer Geburt. Vater Laszlo kümmert sich zwar rührend um seine Kinder, aber das Leben ist schwer. Es wird noch schwerer nach Ausbruch des 1. Weltkrieges. Dana lernt eine Gruppe Jugendlicher kennen, die als “Wandervögel” mehrfach in ihrer romantischen Heimat zelten. Hier entspinnt sich nicht nur eine Liebe zu Paul, sondern erste Gedanken über menschliche Freiheit sind die Folge. 1921 flieht Dana vom Hof, gefolgt von ihrem Bruder Leo. Im 2. Teil (1921-1938) wird die Familiengründung mit Paul im Ruhrgebiet dargestellt, sie haben drei Kinder, und eines davon ist körperlich zurück geblieben. Die Wandervögel zerstreuen sich, aber Paul wird ein glühender Nazi, er dringt bis in die Führungselite vor und schreibt Bücher über die Rassenreinheit. Er wird von seiner Familie kaum noch gesehen, da er sie verleugnen muss, weil er im Stammbaum jüdische Vorfahren hat und dazu einen missratenen Sohn. Robert kommt in ein Heim, soll später verlegt werden, was die Familie immer wieder zu verhindern vermag. Der 3. Teil (1939-1945) schildert ergreifende Episoden aus den Kriegsjahren, das immer schwierigere Überleben in einer Gegend, die schon früh angegriffen wurde, wo Alarm und Schutzkeller mit verzweifelter Nahrungssuche verbunden waren und zur Alltag wurden. Robert wird mehrfach in andere Heime verlegt, gerettet und vor den Zugriffen der Euthanasie bewahrt, zuletzt auch durch Jan, den Arzt aus der Gruppe Wandervogel, der wegen des bevorstehenden Kriegsendes und aus Reue das Kind in die Obhut des Großvaters laszlo bringt. Die Familie überlebt mit Verlusten den Krieg, und das Haus in Hamborn wird zur Heimstatt eines Neubeginns inmitten von Chaos und Zerstörung.
Beurteilungstext
Die Handlung im Vordergrundgeschehen hat zwei Stränge, den der Familie um Dana und den um den behinderten Jungen Robert, Robbi genannt, der den Fängen der Nazis immer wieder erfolgreich entzogen werden kann. Das macht, zusätzlich zum Hintergrundgeschehen der ohnehin schwierigen Jahre zwischen zwei Weltkriegen, das Buch unerhört spannend. Die Handlung ist durchweg chronologisch erzählt, es gibt nur wenige Rückblenden, um die vormaligen Ansichten der Wandervögel als Kontrast diskutieren zu können, die sich beinahe vollständig von ihren ersten und freidenkerischen Positionen trennten, welche Dana als Kind so fasziniert hatten, dass sie ihnen ins Ruhrgebiet folgte. Differenziert wird die Infiltration der nazistischen Ideologie bis hinein in Familien oder Liebesbeziehungen nachgezeichnet, und bei manchen Figuren währt die Loslösung davon recht lange, was zu einsichtigen Handlungen führt: Der Arzt Jan, der Robbi beinahe liquidiert hätte, bringt das Kind in Sicherheit; Georg, der Pimpf mit sicherem Nazigehabe, wird reuig und verlässt seine “heldische” Truppe. Nebenhin wird der Leser erinnert an all die Schrecknisse der faschistischen Zeit: KZ, Transporte dahin, HJ, BDM, Gestapo, Arbeitsdienst, aber all diese und andere Erscheinungen werden an konkrete Figuren gebunden. Ein Geschichtenbuch als Geschichtsbuch. Die Inseln der Häuser im Hochwald und in Hamborn werden Symbole des menschenwürdigen Neubeginns.