Ein Haus für alle

Autor*in
Wölfel, Ursula
ISBN
978-3-522-18096-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
364
Verlag
Thienemann
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2008
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Geschwister Dana und Leo verlassen Anfang der 20er Jahre den Hof und gehen ins Ruhrgebiet. Es folgt die Geschichte der Geschwister, die gemeinsam in Duisburg ein Haus einrichten, in dem alle leben können, auch Danas und Pauls jüngster behinderter Sohn Robert. Aber zunehmend wird das Leben aller durch die faschistische Rassen- und Euthanasiepolitik sowie dem von den Nazis entfachten Weltkrieg bedroht.

Beurteilungstext

Der historische Jugendroman "Ein Haus für alle" ist bereits 1991 erschienen, 2004 als Taschenbuch bei Carlsen herausgekommen und nun wieder neu aufgelegt.1991 wurde Ursula Wölfel für ihr Gesamtwerk mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises geehrt. Es gibt kaum ein Lesebuch ohne einen ihrer Erzähltexte oder Ausschnitte aus einer ihrer Kinder- und Jugendbücher.
Sie ist wirklich eine Erzählerin, die einen mitnimmt in ihre Geschichten, auch wenn ihr Erzählstil etwas spröde wirkt und man eine Weile braucht, um sich "einzulesen" in die Geschichte, die einem immer wieder mit zum Teil umfangreichen Rückblenden in benachbarte und/oder andere Erzählstränge entführt.
So beginnt der Roman damit, dass die 17jährige Dana im Oktober 1921 den Hof im Hochtal, den Vater und den Bruder Leo verlässt. Die nächsten 40 Seiten erzählen in einer Rückblende die Vorgeschichte dieses Aufbruchs - wie es kam, dass Dana nun ihre Sachen gepackt hat und nach Hamborn ins Ruhrgebiet gehen will zu den Freunden aus der Wandervogelbewegung Rike, Jan und Paul. Dana liebt Paul, sie heiraten und haben dann drei Kinder. Das jüngste Kind, Robert, von allen Robbi genannt ist 1933 vier Jahre alt.
1933 markiert einen wichtigen politischen Einschnitt, denn es ist das Jahr, in dem Adolf Hitler Reichskanzler wird und das faschistische und terroristische System des Nationalsozialismus in Deutschland etabliert. Und davon bleibt Danas Familie und auch die von Leo und Rike nicht verschont. Paul hat sich immer weiter von seiner Familie und auch seinen Wurzeln entfernt und ist ein Nazi geworden, noch dazu einer, der in Berlin bei der SS tätig ist. Er kann seine rassistischen Vorstellungen nicht in Einklang bringen mit der Tatsache, dass sein Sohn Robert geistig behindert ist. Robert soll aus der Familie raus und in eines der Heime gebracht werden, in denen später mit dem Euthanasie-Programm der Nazis die Insassen deportiert und ermordet werden. Nur durch den engagierten Einsatz aller anderen in der Familie und vieler weiterer Helfer und Freunde überlebt Robert die Odyssee durch verschiedene Heime und kann der Ermordung entgehen.
Wölfel beschreibt genau, erzählt detailliert und charakterisiert treffend die Nuancen ihrer Figuren. Trotz der erzählerischen Distanz (keine Ich-Perspektiven) bringt sie dem Leser ihre Figuren sehr nah, auch und gerade Robert, dessen Gefühlschaos man z.B. eindringlich empfindet bei der Beschreibung seiner Erfahrungen mit den Verspottungen einiger Nachbarskinder.
Der Roman endet am 8.Mai 1945. Dana, ihre Tochter Nora, Herta, Leo und Rike und vor allem auch Moritz, Roberts kleinwüchsigem Freund, sitzen in den Trümmern des Hauses in Hamborn, essen Rikes dicke Suppe und überlegen wie das Haus für alle wieder aufgebaut werden kann, denn "Der Krieg war zu Ende? Das Leben fing noch einmal an." Und Robert? Der ist beim Großvater in guten Händen und so endet das Buch auch für ihn optimistisch. Er sagt: "Heute koche ich die Suppe. Ich kann das." - "Ja, du kannst das" sagte Laszlo. "Du kannst das."
Wölfels Roman wird ergänzt durch Erklärungen, eine Zeittafel und weiterführende Literatur zum Faschismus und der "Euthanasie".
Ein sehr empfehlenswerter, eindringlicher Roman, berührend, historisch glaubwürdig und gut recherchiert. Für starke Leser ist er gut geeignet, schwache Leser brauchen Hilfen und Unterstützung.

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Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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