Die verborgene Seite des Mondes

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Teaser

Julia ist 15, als ihr Vater stirbt. Mit seinem Tod nimmt er mit sich, was Julia nie richtig erfahren hat. Denn ihre Mutter Hanna ist Deutsche, aber ihr Vater Indianer. Mit Hanna fliegt sie nach Nevada, um endlich ihre Großeltern kennen zu lernen. Doch das Leben ihrer indianischen Verwandten ist bitterer als gedacht. Dafür begegnet Julia in der Halbwüste dem stillen Simon. Eine erste, große Liebe beginnt, die den Hass von Julias drogenabhängigem Cousin weckt und fast in einer Katastrophe endet.

Beurteilungstext

Dieses Jugendbuch hat viele Facetten, und alle sind faszinierend. Die beiden großen Themen - erste große Liebe und das Leben der Shoshoni-Indianer - sind eng miteinander verknüpft. In der Halbwüste Nevada betritt die junge Julia aus dem Immer-noch-Wohlstandsland Deutschland eine ihr völlig neue Welt. Auf der heruntergekommenen, hoch verschuldeten Ranch ihrer Großeltern herrscht Armut. Ihr schwerstbehinderter Cousin Tommy wurde Opfer von giftigen Atomversuchen, ihre Großmutter Ada kämpft unversöhnlich und bis zur letzten Instanz für die Rechte der Shoshoni, ihr Großvater Boyd ist taub, seit er von der amerikanischen Obrigkeit zusammengeschlagen wurde. Es ist eine Welt, mit der ihre deutsche Mutter Hanna nichts zu tun haben wollte und der sich ihr Vater aus Liebe zu Hanna entzogen hat, aber die auf Julia eine große Faszination ausübt. Ist es die Stimme des Blutes oder die unerfüllbare Sehnsucht nach ihrem verlorenen Vater? Die Frage wird nicht eindeutig beantwortet, aber es ist auch egal.
Der stille Simon, in den Julia sich in diesem Sommer verliebt, ist ein junger Mann, der in dieser für sie so fremden Welt zu Hause ist, wenn man von ihm überhaupt als Zugehörigen zu irgendetwas sprechen kann. Als Heimkind hat er nie Liebe erfahren, er stottert und ist eigentlich nur glücklich, wenn er allein in der Natur ist und sich um die Tiere auf der Farm von Julias Großeltern kümmern kann. Vor Julias drogenabhängigem Cousin Jason, der das wertvolle Land der Großeltern am liebsten sofort verkaufen würde und der in Julia eine Rivalin ums große Geld wittert, hat Simon Angst - mit gutem Grund, wie sich herausstellt. Jasons Hass ist so groß, dass er auf Simon schießt. Es ist der dramatische, aber zugleich auch romantische Höhepunkt des Romans, als Julia und Simon mit dem behinderten Tommy in die Berge fliehen müssen und in der Abgeschiedenheit eine kurze, aber unbeschwerte Erfüllung ihrer Liebe finden. Sie beide wissen, dass ihr Glück zeitlich begrenzt ist.
Aber zugleich steckt Simon auch voller poetischer Ideen, angefangen von seinem Interesse für Literatur bis hin zu seiner Leidenschaft für Steine, denen er wunderschöne Bezeichnungen gibt: ein grauer Stein ist die Sprache der Toten, ein roter Stein die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, ein gefleckter Stein der Traum eines Appaloosa-Hengstes usw.
Dem Roman ist ein Stein-Gedicht vorangestellt. Auch hier findet sich die Sprache der Autorin wieder, die diesen Roman auszeichnet: Schlicht, geradlinig, schnörkellos, zuweilen fast simpel, überwiegend aus Julias Perspektive erzählend. Aber es ist genau die richtige Sprache für dieses großartige Buch, in dem auch die Sexszenen deutlich und trotzdem verhalten geschildert sind, fern von jedem Pathos und moralischem Zweifel, denn schließlich ist Julia erst 15.
Antje Babendererde wurde 2007 für ihr Buch "Libellensommer" mit dem DeLia ausgezeichnet, dem Preis für den besten deutschen Liebesroman. Wenn man diesen Roman liest, versteht man sofort, warum sie diese Auszeichnung zurecht erhalten hat.