Der Schuss

Autor*in
Linker, Christian
ISBN
978-3-423-71870-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
320
Verlag
dtv
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2020
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
8,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Robin lebt in seiner Plattenbausiedlung in den Tag hinein: kein Job, Schule abgebrochen, keine wirklichen Freunde, die Kleindealerei hat er aufgegeben, nachdem er eine Bewährungsstrafe bekommen hat. Doch dann wird er als Einziger Zeuge, wie zwei Rechtsradikale einen Journalisten und einen abtrünnigen Rechten niederstechen, der eine stirbt. Das Verbrechen soll dem "Paten" der Siedlung in die Schuhe geschoben werden, einem türkischstämmigen jungen Mann.

Beurteilungstext

Der Journalist hat Robin einen USB-Stick in die Hand gedrückt, bevor er bewusstlos wurde, und liegt nun im künstlichen Koma. Den Stick, so der Journalist, solle Robin einem "Henry" geben. Aber Robin ist unsicher, hat Angst, will nichts mit der Sache zu tun haben, will sich raushalten. Da aber die Rechten, die schnell herausfinden, dass er diesen Stick hat, ihn unter Druck setzen, nimmt er Kontakt zu Henry auf, die sich als junge engagierte Frau, selbst von rassistischen Übergriffen und Anfeindungen betroffen, entpuppt, Kurzform von "Henriette".
Die sich nun entwickelnde Handlung ist mehrsträngig und gespickt mit vielen unwahrscheinlichen Zufällen und verwinkelten Beziehungen, die nicht durch literarische Freiheit und die Notwendigkeit von Zuspitzungen gerechtfertigt sind. So wird die jüngere Schwester von Robin, Melanie, durch eine Freundin in das rechte Umfeld hineingezogen - notwendig, weil sie ein Telefongespräch zwischen Robin und Henry mithört und die dort gehörten Informationen an den aufstrebenden Kandidaten der Rechten, Fred, weitergibt. Und Robin hatte eine Beziehung mit Arzu, der Schwester des "Paten", was ihm die Möglichkeit eröffnet, von Arzu Hilfe beim Versuch zu erbitten, die Wahrheit über die Messerattacke ans Licht zu bringen. Und als Henry und Robin auf dem selten von Kindern und Eltern aufgesuchten Spielplatz der Siedlung nach dem Stick buddeln wollen, ist doch tatsächlich die Frau eines der Rechten mit Kind dort - und Henry und Robin sind so dumm, trotzdem zu graben. Natürlich schickt die Frau ihrem Mann ein Foto der Aktion, wodurch die Handlung erst wirklich dramatisch wird.
Neben diesen an den Haaren herbeigeführten Zufällen ist es anstrengend, dem multiperspektivisch erzählten Roman wirklich emotional zu folgen und die narrative Handlungslogik nachzuvollziehen. In kürzeren und längeren Abschnitten wird aus neun Blickwinkeln erzählt. Nur Robin erzählt in der ersten Person, womit deutlich wird, dass er die zentrale Figur ist. Doch unter denen, aus deren Blickwinkel in der dritten Person erzählt wird, sind auch so unwichtige Randfiguren wie Tatjana, eben jene Frau, die Robin und Henry beim Buddeln beobachtet, und der "Pate" Hakan, der, nachdem er erst einmal als Verdächtiger festgenommen wurde, im Grunde keine Rolle mehr spielt.
Durch Einteilung in Tage, beginnend mit der Überschrift "Nacht", fortgeführt mit "Montag" und den folgenden Wochentagen, soll wohl ein gewisser dokumentarischer Charakter hergestellt werden.
Ermüdend auch die vielen Gespräche über politische Haltungen und soziale Bedingungen. Wie viel besser wäre es gewesen, wenn Robins feine Wahrnehmungen immer im Zentrum gestanden hätten: Seine Unsicherheiten bezüglich verschiedener Ansichten, sein Gespür für Unehrlichkeit und Heuchelei, aber auch tiefes Engagement, sein großes Dilemma. Und seine Gefühle für Arzu und für Henry. So war der Einstieg: der erste Abschnitt aus Robins Perspektive, der sicher viele Leser*innen erst einmal berührt und neugierig macht. Vielleicht hätte der Roman gewonnen, wenn der Autor nicht so sehr viele Aspekte der Thematik hätte berücksichtigen wollen und sich auch im Umfang und den Handlungssträngen etwas beschränkt hätte.
So bleibt ein auf jeden Fall überzeugender Plot, der in der frustrierenden (aber nicht unrealistischen) Erkenntnis endet, dass die Entlarvung von rechter Ideologie auch im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten losgehen kann und dass trotzdem der Kampf gegen Ideologien und Menschenverachtung fortgeführt werden muss. Vielleicht kann der Roman trotz der erzählerischen Schwächen manche Jugendliche zum Nachdenken anregen.
Der Autor ist bekannt für seine Jugendromane zu "schwierigen" Themen im politischen und gesellschaftlichen Kontext.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Gudrun Stenzel; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 14.08.2020

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