Der Kuss des Raben
- Autor*in
- Babendererde, Antje
- ISBN
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 496
- Verlag
- Arena
- Gattung
- –
- Ort
- Würzburg
- Jahr
- 2016
- Lesealter
- 14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Bücherei
- Preis
- 17,99 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Die tschechische Austauschschülerin Mila verliebt sich in den von allen Mädchen angehimmelten Tristan und wider Erwarten wird sie seine Freundin. Aber nach und nach kommen ihr Zweifel an der Ehrlichkeit der Beziehung, ihre Vergangenheit holt sie ein und dann tritt noch der geheimnisvolle Lucas in ihr Leben.
Beurteilungstext
Auch ihren aktuellen Roman „Der Kuss des Raben“ lässt Antje Babendererde in ihrer Heimat Thüringen spielen. Wie bei dem Vorgänger „Isegrim“ legen Titel und Klappentext den Schluss nahe, es handelte sich um Fantastik oder es gebe zumindest fantastische Elemente. Dem ist allerdings nicht so. Zwar trägt ein Rabe zum Handlungsverlauf bei, aber nicht in übernatürlicher Weise und seinem Besitzer kommt eine deutlich wichtigere Rolle zu.
Der Roman beginnt in einer Reha-Klinik mit einem jungen Mann namens Tristan, der im Rollstuhl sitzt – warum und wer er ist, bleibt um der Spannung willen zunächst unklar. Die eigentliche Handlung setzt rückblickend ca. ein Jahr vorher mit der Vorstellung der weiblichen Hauptfigur Mila ein. Das 17-jährige Mädchen besucht als Gastschülerin aus Tschechien die Oberstufe des örtlichen Gymnasiums in Moorstein und lebt bei einer verwitweten Gastmutter, die ihr viel Verständnis und Freundlichkeit entgegenbringt. Freilich handelt es sich bei „Der Kuss des Raben“ um eine typische Teenager-Liebesgeschichte mit ein wenig Eifersucht und der Frage, welcher junge Mann nun der richtige ist.
Babendererde gelingt es, diesen klassischen Plot spannend auszugestalten, indem sie alle drei Hauptfiguren mit dunklen Geheimnissen ausstattet, die nach und nach an Licht kommen und deren Zusammenhänge teils schon in der Kindheit des Figuren liegen.
Während es sich bei Lucas und Tristan um eher typisch gestaltete Figuren handelt, die als Gegenspieler angelegt sind, wird mit Mila durch die Wahl ihrer Herkunft ein besonders Potential zur Figurengestaltung eröffnet. Bei dem Mädchen handelt es sich nicht einfach um eine tschechische Gastschülerin, sondern um eine Roma aus der Stadt Cheb. Babendererde setzt damit auf den Hauch der Exotik, der von Mila ausgeht und vor allem für die Jungen anziehend ist.
Die sehr fleißige und intelligente Mila versucht durch ihren Aufenthalt in Deutschland ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich mit guten schulischen Leistungen auf die Zukunft vorzubereiten. Dabei gelingt es ihr zwar anfangs, die schwierigen sozialen Verhältnisse, aus denen sie stammt, hinter sich zu lassen, aber ihr kultureller Hintergrund holt sie oft wieder ein. Das zeigt sich insbesondere im Aberglauben, später auch durch ihren Ehemann, der plötzlich auftaucht und seinen Anspruch auf sie geltend macht. Babendererde bewegt sich damit auf einem schmalen Grad zwischen einem interkulturellen Dialog und der Replik gängiger Vorurteile und Ressentiments. Die von ihr dargestellte soziale Randständigkeit der Roma in Tschechien sowie die materielle Armmut sind freilich eine traurige Tatsache. Und ohne Frage dient die Zwangsverheiratung der Protagonistin im Alter von vierzehn Jahren sowie deren Folgen nicht nur der Steigerung der Spannung, sondern weist auch auf Menschenrechtsfragen hin. Gleichermaßen wirbt die Autorin so sicher nicht für eine Akzeptanz der Roma, denn deren Traditionen wirken kaum vereinbar mit den Normen europäischer Rechtsstaatlichkeit. Fernab der politischen Brisanz bleibt aber eine spannende Geschichte, in der zwar ca. in ihrer Mitte deutlich wird, wer der Böse und wer der Gute ist, ohne dass aber Spannung verloren geht. Erzählt wird aus unterschiedlicher personaler Sicht; mehrfach liegen Einschübe aus der Rehaklinik vor, in denen Tristan sich äußert und damit Spannung hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Ereignisse aufbaut.
Kritisch anzumerken ist allerdings das von Babendererde transportierte Männerbild: Egal um welche männliche Figur – ob Haupt- oder Nebenfigur – es sich handelt, die jungen Männer werden fast ausnahmslos als Lüstlinge dargestellt, denen es immer um die Frau als Sexobjekt geht. Dass das Mädchen meist als verführtes Wesen erscheint, entspricht wohl kaum der Realität.