Das Mädchen in unserem Badezimmer

Autor*in
Hitzbleck, Henrik
ISBN
978-3-00-071776-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Wacker, Kerstin
Seitenanzahl
240
Verlag
Hitzbleck + Wacker
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/RomanKrimi
Ort
Berlin
Jahr
2022
Lesealter
12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Freizeitlektüre
Preis
14,80 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Als die 14-Jährige Amra mit ihrer Mutter im Park ist, fällt den beiden ein junges Mädchen auf, welches hilfsbedürftig und verzweifelt aussieht. Daraufhin geht Amras Mutter auf sie zu und bietet ihre Hilfe an. Nachdem die 17-Jährige Coco bei ihnen zuhause duschen darf, verschwindet sie und lässt nur ihr Tagebuch zurück. Amra und ihre Freundin Louise machen sich auf die Suche nach ihr, und die einzigen Hinweise befinden sich in Cocos Tagebuch. Die Suche erweist sich als erschreckend und zu Teilen auch als abenteuerlich.

Beurteilungstext

Das Mädchen in unserem Badezimmer ist ein Jugendkrimi, der viele gesellschaftliche Aspekte und Problematiken behandelt. Zu Beginn des Romans wird noch nicht ersichtlich, worauf es hinausläuft, da der Buchtitel sich bereits nach den ersten paar Seiten erledigt hat. An einigen Stellen, an denen die Protagonistin fragwürdige Dinge über Obdachlose sagt oder im inneren Monolog denkt, fühlt man sich als lesende Person unwohl und wird sich der Tatsache bewusst, dass das Geschriebene nicht fair gegenüber diesen Leuten ist. Doch mit dem Lauf der Geschichte wird klar, dass genau das Gegenteil geschaffen wird. Auf der Suche nach Coco macht Amra eine persönliche Entwicklung durch, in der sie immer mehr Empathie und Verständnis für Menschen aus anderen Gesellschaftsklassen entwickelt. Der Aufbau des Romans besteht aus einer Rahmenerzählung, welche aus Amras Sicht von ihrem „naiven“, unbekümmerten Leben handelt, und einer Binnenerzählung, welche Cocos erschütternden Tagebucheinträge enthüllt. Dieser raffinierte Kontrast, und besonders die Selbstverständlichkeit mit der Coco ihre Tagebucheinträge verfasst – da sie gar kein sorgenfreies Leben kennt - lassen sowohl die Protagonistin und ihre Freundin, als auch Lesende mit einem seltsamen Gefühl zurück. Bis auf ihre Obdachlosigkeit handeln die Einträge vom Alleinsein, von Alkohol- und grundsätzlich Drogenabhängigkeit, erzwungener Sexarbeit bei Minderjährigen und die mitlaufende sexuelle Nötigung, und von psychischer und physischer Gewalt. Auch an vulgärer Sprache wird hier nicht gespart. Es herrscht eine schonungslose Erzählung von Cocos tragischen Lebensereignissen und trotz allem wird deutlich, dass sie selbst es immer nur gut meint und eigentlich ein ganz normales Mädchen ist. Coco hat bereits früh viele Schicksalsschläge erleiden müssen, und stolpert seitdem vom einen Verderben ins Nächste. Es wird klar: Sie hat sich dieses Leben nicht ausgesucht. Besonders die Darstellung der Klassentrennung im Hinblick auf Arm und Reich wird hier bildlich und extrem, aber sehr gelungen beispielsweise anhand der Beschreibung von der Bahnhofsmission, welche sich direkt um die Ecke des Ku'Damms in Berlin befindet, beschrieben. Später in der Handlung treffen Amra und Louise auf einen Streetworker, der jungen Leuten auf der Straße hilft und den beiden Mädchen die Hintergründe erklärt, wieso manche Jugendliche von Zuhause weglaufen und teilweise auch nicht mehr zurück möchten. In diesem Zusammenhang werden auch die Themen Depression und Suizid angeschnitten. Dieses prägende Gespräch ist sehr geschickt vom Autor verfasst und weist auf den Umgang mit obdachlosen Jugendlichen hin: „[...] Jemand, dem es schlecht geht, der braucht keinen, der ihm dann noch sagt: »Ja, das stimmt, dir geht es ganz doll schlecht.« Der braucht jemanden, der sagt: »Komm, ich helfe dir. Ich habe Essen und Trinken dabei. Ich weiß, wo man gut schlafen kann. Wir haben Duschen, da gibt es auch Handtücher und da kannst du dich ausruhen.« So jemanden braucht der.“ Im Rahmen des Gesprächs weist er auch auf die Gefahren auf, denen sowohl Mädchen als auch Jungen auf der Straße ausgesetzt sind – von Drogengeschäften bis hin zu sogenannten Loverboys, die zuerst den Eindruck machen, dir helfen zu wollen und dich dann zur Prostitution zwingen.
Das Mädchen in unserem Badezimmer ist jugendfreundlich verfasst und konfrontiert Leser:innen gleichzeitig gnadenlos mit der bitteren Wahrheit über unsere Straßen. Er ist für Jugendliche ab 12 Jahren empfehlenswert. Trotz allem handelt es sich hier nicht um eine Tragödie, denn Hitzbleck schafft hier eine raffinierte Balance aus trauriger Realität, Humor und Abenteuer. Der Roman ist fesselnd in seiner Erzähltechnik und legt zugleich eine Basis für viele Gespräche.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Nazanin Nayeri.
Veröffentlicht am 12.04.2023

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