Baby & Solo

Autor*in
Posthuma, Lisabeth
ISBN
978-3-446-27119-7
Übersetzer*in
Zeitz, Sophie
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
424
Verlag
Hanser
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2021
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
19,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Vor dem Hintergrund des Charmes einer Videothek handelt der Roman von den untypischen Problemen des Teenagers Joel. Dessen Vergangenheit erschwert ihm auch nach jahrelanger Therapie den lang ersehnten Neustart und bald muss er sich auf eine völlig neue Art mit ihr auseinandersetzen.

Beurteilungstext

Jeder befindet sich wohl früher oder später an einem Punkt, an dem man am liebsten alles wieder auf Anfang stellen würde. Für Joel Teague ist diese Möglichkeit zum Greifen nah, als sein Therapeut ihn ermutigt, sich einen Nebenjob zu suchen. Unter der Anonymität, die ihm sein Alias „Solo“ in der Videothek erlaubt, versucht er, sich so normal wie möglich zu verhalten. Eine richtige Vorstellung davon, was das bedeutet, hat er jedoch nicht, denn aufgrund seiner ‚Macke’ - wie Joel seine Halluzinationen nennt - verbringt er den Großteil seiner frühen Jugend in psychiatrischen Kliniken, unter Jugendlichen, die alle mit ihren ganz eigenen Problemen zu kämpfen haben. Im Vergleich dazu sind Joels Kollegen bei Royo Video aber auch nicht weniger problembehaftet. In Nicole, alias „Baby“ findet er zwar eine Freundin, der er sich aber lange nicht anvertrauen kann. Denn im Gegensatz zu seiner Krankheitsgeschichte, scheint ihre Teenager-Schwangerschaft wie ein vergleichsweise alltägliches Problem. Unterstützt wird diese Darstellung durch die Tatsache, dass Jessica - Joels Vorgesetzte - nur kurz vor den Ereignissen des Buchs eine Abtreibung vornehmen lässt. In dem außergewöhnlich emphatischen Umgang mit seinen Mitmenschen, ihren Sorgen und Ängsten, zeigt sich die große Stärke von Posthumas Hauptfigur und in Verbindung mit der authentischen Schreibweise der Autorin wächst Joel dem Leser ans Herz. So leidet man auch mit ihm, wenn sich nach und nach die Umstände seines Traumas abzeichnen, das für die Jahre schlechter mentaler Gesundheit und den Umzug der Familie in einen anderen Bundesstaat verantwortlich ist. Indem Joel sich Nicole schließlich mitteilt, erfährt er zum ersten Mal, was es bedeutet, sich in einer wirklich engen Freundschaft sicher zu fühlen. Das Vertrauen, welches Nicole in Joel setzt, indem sie ihn an den Problemen ihrer Umstände teilhaben lässt, bringt ihn in eine Position, in der er die Freundschaft nur weiter aufrechterhalten kann, indem er ebenso offen zu ihr ist. Joel beichtet ihr von Chrystal, dem Mädchen, von dem er seit seinem Kindheitstrauma halluziniert. Aber erst als Nicole den Verlust ihres Kindes an Adoptiveltern verarbeiten muss, erfährt der Leser letztendlich auch von dem ausschlaggebenden Ereignis für Joels Probleme: dem Suizid seines großen Bruders. Schlag auf Schlag nehmen daraufhin in den letzten Kapiteln des Buchs die schicksalhaften Ereignisse zu: Joels Eltern teilen ihm die bevorstehende Scheidung mit; es kommt zum Bruch zwischen ihm und seiner Mutter. Grund dafür sind vor allem ihre Homophobie und Joel erkennt schlussendlich auch die Zusammenhänge zwischen dem Suizid seines Bruders und der Transphobie seiner Eltern. Veränderung findet hier nur bei Joels Vater statt und das Buch lässt offen, inwiefern die Kluft innerhalb der Familie überwunden wird.
Hervorstechend ist in dieser komplexen Geschichte die Problematik mentaler Gesundheit und nicht allen der sensiblen Themen, die das Buch aufgreift, widmet sich die Autorin derart eingehend. Hier entpuppt sich die einschränkende Sicht des Ich-Erzählers als kritisches Hindernis. Denn Themen wie die Transsexualität von Joels Bruder und Jessicas Abtreibung werden in Rückblenden verhandelt und treten in Plot-Twists zutage. Das macht den Roman zwar spannend zu lesen, kann Leser*Innen aber auch unvorbereitet treffen, insbesondere wenn diese selbst persönlich betroffen sind. Insbesondere gilt das für die Probleme mit dem Umgang mit Homophobie, mit denen sich auch Joel zunächst auseinandersetzen muss. Schlussendlich ist es auch nur den beiden zentralen Figuren vergönnt, ihre Probleme nachhaltig zu lösen.
Die Autorin schafft mit „Baby & Solo“ einen Jugendroman mit einer sympathischen Hauptfigur, der die Popkultur der 90er Jahre wieder auferstehen lässt und sie öffnet viele Problemfelder, bei denen nur zu Teilen Lösungsansätze präsentiert werden. Gerade bei einer Zielgruppe, für die die Akzeptanz unter Gleichaltrigen zentral ist, kann dies problematisch sein. Um dem entgegenzuwirken, gibt es am Ende des Buches Verweise zu entsprechenden Anlaufstellen und Webseiten. Gespräche zu den Themenfeldern können den Verstehensprozess zwar unterstützen - die zu große Fülle an sensiblen Themen macht eine angemessene Auseinandersetzung im schulischen Kontext jedoch schwierig.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPTK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 01.10.2021

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