Wenn ich das siebente Geißlein wär ´

Autor*in
Schneider, Karla
ISBN
978-3-414-82183-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Harjes, Stefanie
Seitenanzahl
36
Verlag
Gattung
FantastikMärchen/Fabel/Sage
Ort
Köln
Jahr
2009
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Zwei Kinder lassen ihrer Fantasie freien Lauf, sie würfeln im Gespräch miteinander Motive aus den Märchen “Rotkäppchen” und “Der Wolf und die sieben Geißlein” durcheinander. Mit dieser Variation werden die Märcheninhalte den Denkweisen heutiger Kinder angepasst. Die Schriftstellerin und die Illustratorin erreichen auf diese Weise eine kritische Auseinandersetzung mit dem Märchenstoff und sichern gleichzeitig sein Weiterleben über das Vorlesealter der Kinder hinaus.

Beurteilungstext

Obwohl sich die bekannten Märchenmotive in der Adaption mühelos wiederfinden lassen, stellt die Autorin hohe Anforderungen an das Rezeptionsvermögen von Kindern.
-Im Gespräch zwischen dem Mädchen “Ottinka Taube” und einem namenlosen Jungen schlüpfen diese in die Märchenfiguren und wechseln dabei ständig die Rollen.
- Sie argumentieren in Kausalketten:
“Wenn ich der Wolf wäre... Wenn ich der Jäger wäre... Wenn ich die Geißenmutter wäre... Wenn ich das 7. Geißlein wär´...”
- Dabei wird auf Gänsefüßchen als Merkmal der wörtlichen Rede vollständig, auf Einführungssätze oft verzichtet. Deshalb bietet sich zum besseren Verständnis des Textes lautes dialogisches Lesen zweier Partner an.
Die Unterhaltung zwischen den Kindern beginnt mit der Frage, was sie zum Beispiel tun würden, wenn sie der Jäger im “Rotkäppchen” wären. Was würde dann der Wolf tun? Sie versuchen dabei ohne den Tod des Wolfes auszukommen und transportieren die Handlung um den Wolf weiter in das “Sieben - Geißlein - Haus”. Auch hier wird hin- und hergeschoben, wie sich die einzelnen Märchenfiguren verhalten könnten. Der Wolf zum Beispiel wäre diesmal nicht so dumm, sich über den Brunnenrand zu lehnen und dabei hereinzustürzen. Er würde sich wegschleppen , sodass niemand sicher sein könnte, dass er wirklich tot ist. Eines Tages würden dann die kleinen Wolfskinder an die Tür des Geißenhauses klopfen, weil sie ja nun keine Mutter mehr hätten. Aus Mitleid würden sie aufgenommem werden, wobei zu bedenken ist, dass sie größer werden und immer Raubtiere bleiben.
- Ein solches hermeneutisches Herangehen der Autorin lädt zum Philosophieren mit Kindern ein. Sie zwingt die Leser, sich in liebe und böse Figuren hineinzufühlen. Auch für den Wolf kann man Mitleid empfinden. Die Kinder erkennen, dass man Dinge nicht einseitig betrachten, sondern sich auch mal in die Position der anderen hineindenken sollte. Jeder hat seine Gründe, die erst zu hinterfragen , anstatt sofort zu verurteilen sind - nur weil ein anderer nicht so handelt, lebt, denkt... wie wir selber.
Für das Verständnis des Buches ist die Bildebene sehr wichtig. Diese unterstützt die Botschaft, verlangt aber hohe Abstraktionsleitungen und lässt sich, auch wenn man den Kindern Zeit für die Bildbetrachtung gibt, ganzheitlich kaum erfassen. In der riesig wirkenden, doppelseitigen, farbigen Illustrationen vermischen sich verschiedene Bildstile. In aggressiver schwarzer Farbgebung erscheint der Wolf immer wiederkehrend als Leitfigur. Alle anderen Tierfiguren sind karikaturhaft gezeichnet, so dass sie über ihre Mimik und Gestik vermenschlicht wirken. Fast an Kinderzeichnungen erinnern Möbel, Tische, Stühle, Schränke, vor allem das Bett als wichtiger Handlungsort, in dem nicht nur der Wolf oder die Geißlein Zuflucht suchen. Im Buchbild beginnt und endet die Geschichte für die Kinder im Bett. Diese Szenerie erinnert sicher manchen an die Gute - Nacht - Geschichte in der Kindheit, die oftmals ein Märchen gewesen ist. Indem die Illustration auf originelle Weise den Jungen und das Mädchen als Handlungsfiguren mit einbezieht, gibt sie sie Verstehenshilfen für den Rollenwechsel der Erzähler. Kleinere Kinder werden dabei jedoch mit Maltechniken konfrontiert, die sie überfordern. Die beiden Figuren sind von der Kleidung her zwar zu unterscheiden, erscheinen aber verfremdet - häufig maskiert, teilweise mit verschiedenen Gesichtern, die ihnen wie Fotos collagenartig eingesetzt sind. Die Haupthandlung wird im Bild ergänzt durch Nebenszenen und Bildgags, die mitunter nicht eindeutig interpretierbar sind, weil sich Reales und Fantastisches vermengen.
Es ist ein Bilderbuch, über das man sich mit Kindern austauschen muss und dessen Einsatz im Kindergartenalter vielleicht verfrüht ist. Bei der Behandlung von Märchen in der Grundschule und darüber hinaus kann es lehrplanergänzend einen wichtigen Beitrag leisten. Die Anschaffung von einzelnen Exemplaren für den Einsatz im Unterricht lohnt sich dann, wenn der Lehrer als Literaturvermittler nicht nur den Text, sondern auch das Spannungsverhältnis zwischen Text und Bild in den Blickpunkt zu rücken vermag.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Kra.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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