Was wäre wenn

Autor*in
Rosoff, Meg
ISBN
978-3-7335-0257-7
Übersetzer*in
Jakobeit, Brigitte
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
254
Verlag
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Frankfurt/Main
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
7,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Als er nur knapp den Tod seines kleinen Bruders verhindert, ändert sich für David Case das Leben. Er versucht, sich vor dem Schicksal zu verstecken, ändert den Namen, ändert seinen Kleidungsstil und seinen Lebenswandel. Doch das Schicksal folgt ihm auf Schritt und Tritt.

Beurteilungstext

"was wäre wenn" von Meg Rosoff ist bereits 2007 bei Carlsen erschienen und wurde 2008 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Jugendbuch ausgezeichnet. Acht Jahre später liegt es nun mit gleichem Cover als Taschenbuch vom Fischer Verlag vor.
Meg Rosoff erzählt hier die Geschichte des zu paranoiden Fantasien neigenden 15-jährigen David, der gerade rechtzeitig ins Zimmer kommt, um zu verhindern, dass sein kleiner Bruder aus dem Fenster in den Tod stürzt. Die Auswirkungen dieses Erlebnisses werfen den Jungen aus der Bahn, denn er folgert daraus, dass er verdammt ist. Er beschließt, sich vor dem Schicksal, das es böse mit ihm meint, zu verbergen und will sich so verändern, "mutieren", dass ihn keiner mehr erkennt, auch das Schicksal nicht, um so weitere Angriffe und schließlich seine Vernichtung zu verhindern. Er ändert seinen Namen in Justin Case, denn so kann ihm nichts Schlimmes passieren, da es Justin nicht gibt. Unübersetzbar ist hier die englische Wendung "just in case", was auch Rosoffs Originaltitel ist.
Der Junge will auch sein Äußeres ändern und trifft in einem Second-Hand Laden die junge, extravagante Fotografin Agnes, die ihm einen neuen Look und einen grauen Designermantel verpasst. Seine Verwandlung löst zu Hause und in der Schule Ablehnung und Irritation aus. Seine Eltern sind überfordert, in der Schule hat er nur noch Kontakt zu dem Außenseiter und Physikgenie Peter Prince. Peter findet einen Zugang zu ihm, u.a. weil er unerwarteter Weise Justins imaginären Windhund Boy sehen kann. Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fantasie verschwimmen, Justin steigert sich immer stärker in seine Katastrophenszenarien hinein, die er hinter jeder Ecke vermutet. Er verbringt einige Tage und Nächte auf dem Flughafen, seinen Eltern erzählt er, der Termin für die Klassenfahrt sei vorverlegt worden. Genau in dieser Zeit kommt es auf dem Flughafen zu einem Flugzeugabsturz und Justin entkommt nur knapp dem Tod: Ein neuer Beweis dafür, dass das Schicksal ihm nach dem Leben trachtet. Er fühlt sich schuldig und verantwortlich dafür, dass es bei dem Unglück Tote und Verletzte gab, verliert sich zunehmend in seinen Schicksalsfantasien, zieht zu Agnes und geht nicht mehr zur Schule, was seine Eltern kommentarlos hinnehmen, da es ihnen die Auseinandersetzung mit seinem merkwürdigen und beunruhigenden Verhalten erspart. Durchzogen ist diese nervöse Anspannung von sexueller Lust und Begehren. Als Agnes wider besserem Wissen und mehr aus Mitleid mit Justin schläft, ist er ihr völlig verfallen. Sein Bewegungsradius schrumpft, er kreist nur noch um seine Katastrophenfantasien, Ängste und um Agnes, die sich zunehmend überfordert fühlt. Schließlich muss Justin wieder ausziehen und quartiert sich bei Peter und seiner Familie ein.
Agnes ist ganz versessen darauf, die Schönheit seiner Verlorenheit und seiner Identitätskrise mit der Fotokamera einzufangen. Ohne sein Einverständnis organisiert sie eine Ausstellung, in der sie überlebensgroße Fotografien von Justin zeigt, in denen sich seine Unsicherheit, seine Verletzlichkeit und Verlorenheit auf eine sehr intime Weise zeigt. Als er zur Vernissage erscheint, trifft ihn der Schlag. Geschockt, wütend und angewidert verlässt er die Galerie. Auf seiner Hast durch den Regen stößt er mit einer Frau zusammen und steckt sich just in diesem Moment über eine Tröpfcheninfektion mit einer lebensbedrohlichen Meningokokken-Meningitis an. Das Schicksal hat ihn nun doch erwischt.
Die letzten Seiten des Romans widmet sich Rosoff Justins innerer Zwiesprache mit dem personifizierten Schicksal, auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod.
Rosoff erzählt hier nicht nur die Geschichte eines pubertierenden, nervlich stark angegriffenen Jungen, der in eine psychische Erkrankung abdriftet in dem Moment des "Larvenstadiums", in dem die neue Identität noch nicht angenommen ist, den Moment des Wartens, "wenn Schönheit sich entfaltet".
"was wäre wenn" ist zugleich eine rasante, packende, witzige Abhandlung über Schicksal, Glück, Unglück, Zufall, darüber was Normalität ist und was Wahnsinn, was Freundschaft sein kann, was sexuelle Begierde mit einem anstellt und welche Vorteile es haben kann, ein Außenseiter zu sein. Die Autorin hat ein vielschichtiges Gefüge von Personen geschaffen, die durch ihr Verhalten den Protagonisten aus unterschiedlichen Perspektiven spiegeln, verschiedene Zugänge zur Welt und mögliche Interpretationen von Realität repräsentieren. Das Ganze gelingt ihr mit der wunderbaren Rosoffschen Leichtigkeit, die getragen ist von Ernst, Empathie und Humor. Das Buch ist nicht nur für jugendliche Leserinnen und Leser geeignet, sondern auch für deren überforderte, handlungsunfähige, konfliktscheue Eltern.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 23.02.2017

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