Reden ist Verrat. Nach der wahren Geschichte der Freddie Oversteegen

Autor*in
Geldof, Wilma
ISBN
978-3-8369-6045-8
Übersetzer*in
Kiefer, Verena
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
304
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hildesheim
Jahr
2020
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
18,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Im Mai 1940 überfiel die Wehrmacht die neutralen Niederlande. Deutschland installierte ein brutales Besatzungsregime. Wie in allen besetzten Ländern Europas verhielten sich die Menschen der Besatzung gegenüber sehr unterschiedlich. Die junge Freddie und ihre Schwester kämpfen von Anfang an bis zur Befreiung aktiv gegen die Okkupanten. Beide beteiligen sich auch an bewaffneten Aktionen. Das Buch berichtet von Freddies Kampf - und wie sehr sie sich selbst dabei verändert.

Beurteilungstext

Die sechzehnjährige Freddie ist wie ihre wenig ältere Schwester Truus bereits als Kind stark von der kommunistischen Überzeugung ihrer Mutter geprägt. Als die nationalsozialistische Wehrmacht ihre Heimat, die Niederlande überfällt und ein brutales und entbehrungsreiches Besatzungsregime errichtet, ist für Freddie sofort klar, dass sie sich dem illegalen Widerstand anschließen muss. Die Schule haben die Schwestern bereits zuvor abbrechen müssen; sie leben fortan ausschließlich für den Kampf gegen die Besatzer. Freddie wird schnell in eine Wiederstandsgruppe um den charisamtischen Frans eingebunden. Ihr besonderer Wert für die Gruppe wird bereits beim ersten Treffen klar benannt: "Niemand wird sie verdächtigen." (S. 38), weil sie so jung aussieht. Außerdem erkennen die Männer der Gruppe schnell: "Und Angst haben diese Mädchen nicht." (S. 38) Freddie und Truus erledigen zunächst Kurier- und auch Sabotageaufträge und helfen bei der Rettung untergetauchter Juden; bald aber bekommen sie Pistolen ausgehändigt und beteiligen sich an gezielten Anschlägen auf Besatzungssoldaten ("Moffen") und Landsleute, die zu Verrätern und Handlangern der Nationalsozialisten geworden sind. Ihr Leben spielt sich bals ausschließlich in der Illegalität ab, sie leben in Verstecken von Unterstützern. Einzelne Mitglieder der Gruppe werden verhaftet und auch ermordet - so auch Hannie, die dritte junge Frau unter den Widerständlern; die Schwestern aber erleben die Befreiung im Mai 1945.
Der Roman folgt eng der tatsächlichen Lebensgeschichte der Freddie Oversteegen; die Verfasserin konnte sie im hohen Altern noch kennen lernen. Erzählt werden die Jahre der Besatzung bis zur Befreiung, also ein Zeitraum von beinahe exakt 5 Jahren (1940 - 1945). Erzählt wird chronologisch, mit unregelmäßig großen Lücken zwischen einzelnen Handlungsabschnitten. Eine Ausnahme bildet ein kleiner "Prolog", der 1933 spielt. Die Handlung wird konsequent aus der Ich-Perspektive Freddies dargestellt; viele pointierte Dialoge sorgen für einen dynamischen Erzählduktus.
Das Buch macht es den Leserinnen und Lesern am Beginn nicht ganz leicht. Der Übergang Freddies in die Illegalität, die Beteiligung an den lebensgefährlichen Widerstandsaktionen werden wenig begründet - es entsteht der Eindruck, als sei dies der einzig mögliche Weg. Das "Umschalten" zwischen sehr ernsten und eher heiteren, beinahe slapstickhaften Episoden wirkt nicht überzeugend. Im Verlauf der Handlung gewinnt der Roman allerdings ganz entscheidend an Tiefe. Im Zentrum stehen dabei zwei Aspekte. Zum einen der innere Konfikt, den Freddie austrägt, vor allem als sie selbst aktiv zur Tötung von Menschen beiträgt bzw. diese selbst vornimmt. Ihrer Mutter hatte sie versprochen, niemanden zu töten; nun muss sie sich der Frage stellen, ob die Tötung "schlechter" Menschen zur Rettung anderer legitim ist. Diesem Zwiespalt stellt sie sich permanent und mit großer Ernsthaftigkeit, ohne die letzte, eindeutige Antwort zu finden. "Ist die Trennlinie zwischen Richtig und Falsch weniger eindeutig, als ich immer dachte?" (S. 244) Die Autorin offeriert ihrer Protagonistin ebenso wie den Lesenden eine allgemeingültige Antwort, sie fordert eine individuelle Auseinandersetzuung mit dieser Frage heraus. Das andere Leitmotiv des Buches ist die Beziehung Freddies zum Nachbarsjungen Peter, der großen Liebe ihrer Jugend. Obwohl sich beide stark zueinander hingezogen fühlen, treiben ihre unterschiedlichen Einstellungen und Überzeugungen sie mehr und mehr auseinander. Peter arrangiert sich und wirft Freddie vor, leichtsinnig zu sein. Freddie ist von seiner vermeintlichen Feigheit enttäuscht. Die Entfremdung eskaliert am Ende des Romans; es gibt keine Versöhnung.
Das Buch reißt an vielen Stellen mit und liefert ein authentisches Bild vom Grauen, welches Krieg und Besatzung verursachen sowie vom persönlichen Mut derjenigen, die sich dem widersetzten. Eine Lektüre in der Schule müsste allerdings sehr eng begleitet werden; vor allem muss ausreichend Raum vorhanden sein, die schwerwiegenden moralisch-ethischen Aspekte zu diskutieren.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPKJ; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 02.04.2020

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