Opi Kas, die Zimtziegen und ich

Autor*in
Hof, Marjolijn
ISBN
978-3-8489-2044-0
Übersetzer*in
Blatnik, Meike
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Tourlonias, Joelle
Seitenanzahl
143
Verlag
Aladin
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2015
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
11,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Opi Kas ist schon über 90 und fast alle. Seine Tochter und seine Enkelin beschließen, dass es für ihn an der Zeit ist, seine Wahlheimat Island zu verlassen und mit ihnen in die Niederlande zu kommen. Doch Opi Kas möchte lieber ein freier Junge bleiben und in die Berge gehen. Dafür braucht er die Hilfe seiner Urenkel Twan und Linde...

Beurteilungstext

Opi Kas kann nicht mehr alleine bleiben. Das Haus verwahrlost, und Nachbarin Svanna kann ja auch nicht ständig nach dem Rechten sehen. Die Entscheidung von Mama und Oma steht fest, und weil sie mit Widerstand rechnen, nehmen sie Twan und Linde mit auf die Reise. Die sollen Opi Kas den Umzug schmackhaft machen. Allerdings hat der andere Pläne. Er weiß, dass er bald nicht mehr nur “fast alle”, sondern “alle alle” sein wird. Er will in keinem Krankenhaus vor sich hin vegetieren und auch nicht unter der Fuchtel der beiden Frauen stehen. Opi Kas möchte es wie die Inuit machen.
Ich-Erzähler Twan und seine Zwillingsschwester Linde sind zunächst gar nicht so begeistert von der Reise. Opi Kas wohnt in einem winzigen Häuschen ohne Badezimmer, das Wetter ist nass, eiskalt und stürmisch, und die fünf hocken sich genervt auf der Pelle. Doch dann entwickelt sich eine zarte Beziehung zwischen Opi Kas und Twan. Opi Kas erzählt aus seinem Leben. Er hat als Fischer gearbeitet, in verschiedenen Ländern gelebt und ist schließlich in Island gelandet. Nun braucht er Twans Hilfe. Dem ist die ganze Situation eine Nummer zu groß. Er weiht Linde ein, und die beiden sind sich gar nicht sicher, ob sie Opi bei seinen Plänen helfen wollen und dürfen. Doch als Opi Kas aufbrechen will, machen sie mit, und letzten Endes stehen sie hinter ihrer Entscheidung.
Während der vielleicht zwölf- bis dreizehnjährige Ich-Erzähler Twan und seine Lebenswelt den Lesern vertraut sind, müssen sie Opi Kas, sein Lebensumfeld, seine Vergangenheit und seine Gedankenwelt erst kennen lernen. Die Autorin versteht es hervorragend, die Leser mit diesem alten Menschen vertraut zu machen, der ein völlig anderes Leben gelebt hat, als sie es kennen. Auch Twan ist zunächst eher abgestoßen von dem alten Mann. Er beschreibt dessen schrumpelige, fleckige Haut, seine langen, gelben Fingernägel, die falschen Zähne in einem Glas neben dem Bett. Da Twan mit Opi in einem Zimmer schlafen muss (die “Zimtziegen” drücken sich davor), er mit ihm zum Duschen ins Schwimmbad geht und man sich in der Küche waschen muss, bekommt Twan intimere Einblicke in den Körper seines Uropas, als ihm lieb ist. Ein Fischkutter im Museum des kleinen Ortes wird für Kas und Twan zum Rückzugsort. Hier erzählt Opi aus seinem Leben und versucht, Twan auf seine Seite zu ziehen. Vieles bleibt zwischen den Zeilen. Opi verherrlicht seine Zeit als Fischer und sein Leben als “freier Junge”, das ohne Zweifel hart war, ihm aber auch ermöglicht hat, fernab von Frau und Kind seine eigenen Wege zu gehen. Erst spät in der Geschichte bringt es Twans Oma, Opi Kas’ Tochter, auf den Punkt: “Er war ein Herumtreiber.”
Auch das Thema “Tod” wird nur zwischen den Zeilen angesprochen. Twan und Linde ahnen mehr, als dass sie es begreifen, dass Opi Kas zum Sterben in die Berge gehen will. Twan nervt den alten Mann immer wieder, wenn er ihm aus seinem Survival-Handbuch vorliest, damit er sich in den Bergen zu helfen weiß. Der Junge packt ihm Proviant und Streichhölzer in den Rucksack, ermahnt ihn beim Aufbruch, sich wärmer anzuziehen. Dennoch wird Twan und Linde klar, dass dieser von der Autorin in einer eiskalten Winternacht unter Sternenhimmel und Polarlicht inszenierte Abschied für immer sein wird. Besser als die erwachsenen Frauen verstehen die beiden Kinder, dass sie Opi Kas erstens nicht an seinem Vorhaben hindern können und dass es zweitens besser so für ihn ist.
Selbstbestimmtes Sterben durch Suizid, noch dazu mit Unterstützung durch Kinder, die die ganze Tragweite des Geschehens nicht überschauen können, das ist für viele Erwachsene ein schwieriges und komplexes Thema. Für Twan und Linde, wie auch für viele Leser, ist es nicht so kompliziert. Opis Argumente sind absolut nachvollziehbar: Er ist ein alter Mann, er wird bald sterben und er möchte nicht andere darüber entscheiden lassen, wann und wie es geschehen wird. So wie man als Erwachsener über seinen Beruf oder seinen Wohnort entscheidet, so entscheidet Opi Kas darüber, dass er in die Berge geht.
Marjolijn Hof hat ein wunderbares Buch zum Thema Sterben geschrieben. Sie bringt Charaktere aus vier Generationen auf den Punkt und gestaltet Familienbande, ohne zu beschönigen. Manchmal ist es erschreckend, wie egoistisch und rational die Gedanken ihrer Protagonisten in Anbetracht der schwierigen Situation sind. Es gibt nur wenige Szenen im Buch, in denen Zuneigung gezeigt wird. Doch so funktioniert es bei den meisten Menschen nun mal im wirklichen Leben. Warum sollte es am Lebensende anders sein?
“Opi Kas, die Zimtziegen und ich” ist ein hervorragendes, absolut empfehlenswertes Buch.

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Diese Rezension wurde verfasst von spra.
Veröffentlicht am 01.01.2016

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