Haifischzähne

Schlagwörter

• Adoleszenz
• Freundschaft

Teaser

Atlanta will partout 360 Kilometer mit dem Rad ums Ijsselmeer zu fahren – allerdings innerhalb nur eines Tages und einer Nacht. Ein schier unmöglicher Plan. Ob sich damit die anstehende Krebsdiagnose ihrer Mutter zum Positiven wenden lässt? Einen Versuch ist es zumindest wert. Zu dumm, dass sie schon kurz nach dem Start mit Finley zusammenstößt. Jetzt wollen beide gemeinsam das Schicksal bezwingen. Doch dann kommt alles ganz anders, aber durchaus nicht weniger anstrengend als gedacht.

Beurteilungstext

Anders als der Titel vielleicht vermuten lässt, ist „Haifischzähne“ die eher unspektakuläre, aber sehr anrührende Beschreibung zweier wichtiger Tage im Leben der 11-jährigen Atlanta. Dass die junge Niederländerin schwerlich in der Lage sein dürfte, innerhalb von nur 24 Stunden eine Strecke von 360 Kilometern per Rad zurückzulegen, versteht sich eigentlich von selbst. Aber Atlanta mag einfach nicht tatenlos auf die neuen Untersuchungsergebnisse ihrer krebskranken Mutter warten. Sie will, nein, sie muss irgendwie aktiv werden, muss wenigstens einen Versuch wagen, auch wenn praktisch keine Erfolgsaussichten zu erwarten sind. Mutig und auch ein bisschen verzweifelt macht sie sich daher auf die selbst gewählte lange Tour, die jedoch nach kaum fünf gefahrenen Kilometern durch einen Zusammenprall mit einem Jungen unterbrochen wird. Finley ist auch von zuhause weggelaufen und hat seiner Mutter deren Glücksbringer-Haifischzähne geklaut. Er will auf keinen Fall zurück, weil die Mutter im Ärger über einen misslungenen Streich geäußert hat, es sei ein Fehler gewesen, Finley zu bekommen. Atlanta will eigentlich allein ihre Fahrt fortsetzen, doch Finley bleibt in ihrer Nähe. Schon bald mögen beide die Gemeinsamkeit nicht mehr missen. Todmüde nächtigen sie in einer Vogelhütte. Und finden nach intensiven Gesprächen schließlich eine unerwartete Lösung für ihre Familienprobleme.
In „Haifischzähne“ werden kindliche Verlustängste, mit denen vermutlich jeder Heranwachsende irgendwann konfrontiert wird, aus unterschiedlichen Perspektiven thematisiert. Bei Atlanta ist es die Angst, dass bei einer neuen Untersuchung der Mutter am nächsten Tag festgestellt werden könnte, die erfolgte Krebstherapie hätte keine Besserung oder Heilung bewirkt. Finley ist dagegen aufgrund einer unbedachten Äußerung seiner Mutter der Überzeugung, dass er als Kind nicht gewünscht gewesen sei. Beide Kinder suchen einen Ausweg in der aus ihrer Sicht eigentlich ausweglosen Lage, der sie weitgehend schutzlos ausgeliefert sind. Zumindest zeitweilig ihr Zuhause zu verlassen, scheint ihnen daher derzeit die einzige Möglichkeit zu sein.
Die in London geborene, in Den Haag aufgewachsene Autorin Anna Woltz lässt den Roman aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Atlanta erzählen. Das geschieht sehr einfühlsam, oft emotional, ohne ins Rührselige abzugleiten. Die Gedanken und Handlungen der Kinder sind durchweg gut nachvollziehbar, auch etwa hinsichtlich einer quasi alterstypischen Verhaltensweise: bloß nicht zu viel von sich preiszugeben und möglichst stark sein zu wollen – und dann doch von den eigenen Gefühlen überrannt zu werden. Heranwachsenden Mädchen und Jungen dürfte es daher nicht schwer fallen, die Sichtweise der beiden Hauptfiguren zu verstehen und sich damit auch zu identifizieren.
Das für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 nominierte Buch ist für junge Leserinnen und Leser ab 10 Jahren geeignet.