Geschichten aus der Vorstadt des Universums

Autor*in
Tan, Shaun
ISBN
978-3-8489-0173-9
Übersetzer*in
Schönfeld, Eike
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Tan, Shaun
Seitenanzahl
96
Verlag
Aladin
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Stuttgart
Jahr
2021
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Wer nach Bildergeschichten der anderen Art sucht, wird bei Shaun Tan schnell fündig. Sein Blick auf unsere und andere Welten fasziniert, aber verstört auch. Befremdet versuchen Leser und Leserinnen hinter das Geheimnis der Bilder und Texte zu kommen. Der vorliegende Sammelband bietet neues Futter zum Rätseln und Sinnieren.

Beurteilungstext

Sammelbände für Bilderbücher sind rar. Gelegentlich werden sie von Verlagen veröffentlicht, um auf die Breite ihrer Tätigkeit aufmerksam zu machen. Manchmal locken auch ein oder zwei große Namen zum Kauf von vier Unbekannten. Auch vor Kanonbildung à la "Die schönsten Bilderbücher ..." wird nicht zurückgeschreckt. Der Sammelband mit Bildergeschichten von Shaun Taun unterscheidet sich von solchen losen Sammlungen durch den inneren Zusammenhalt.
Das fängt beim Titel an. Im Englischen lautet er "Tales from Outer Suburbia". Das weckt mindestens drei Assoziationen. "Tales from the Crypt" ist der Titel eines Medienverbundes, der über Comics in den 1950ern zu einer TV-Serie in den 1990ern führt. In beiden Medien präsentiert ein "Crypt Keeper" eine Sammlung von Erzählungen, die sich mit den Grenzen der Normalität auseinandersetzen.
Bei den Adressaten sollen damit Gefühle wie Entsetzen, Ekel, Grauen etc. geweckt werden. Einen exponierten Erzähler gibt es, abgesehen von der dirigierenden Hand des Autors im Hintergrund, in diesem Sammelband nicht. Die Gemeinsamkeit ist, dass hier verschiedene Geschichten zusammenkommen, die durch einen ähnlichen Stil verbunden sind.
Passend dazu ist die Doppelseite mit dem Inhaltsverzeichnis wie ein weitgereister Briefumschlag gestaltet, auf dem die Titel und Seitenzahlen der Geschichten wie Briefmarken kleben. In früheren Zeiten haben Briefmarken eine leicht erschwingliche Atmosphäre von Exotismus verbreitet. Wie die hier versammelten Bilderzählungen waren sie Fenster in eine andere Welt: "Tales from Outer ...", so geht der englische Titel weiter. An "Outer Space" denke ich dann, so als ob die Geschichten aus dem Weltraum und nicht von der Erde stammen. Als letztes Wort steht "Suburbia". Die deutsche Übersetzung als "Vorstadt" gibt die Bedeutung, die "suburb" in Medienkontexten hat, nur schwach wieder. In der englischsprachigen Medienkultur ist der "suburb" ein vielbeschriebener und -verfilmter Erzähltopos. In seinem Rahmen werden bspw. Erfolg und Misserfolg des amerikanischen Traums verhandelt - Wohlstand für alle, individuelle Selbstverwirklichung bei gleichzeitiger Uniformität und bestehendem Anpassungsdruck. Die gewollte Normalität macht die "suburbs" zu beliebten Tatorten von Kriminal- und Horrorgeschichten. Kurzum: Sie sind der perfekte Ort um "Normalität" zu verhandeln.
Neben dem Stil und dem Handlungsort bieten sich auch die einzelnen Geschichten selbst an, um von dort aus Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu entdecken. Der Sammelband wird durch die Doppelseitengeschichte "Der Wasserbüffel" eröffnet. Sie könnte als eine Leseanleitung dienen, als eine Reflexion zum Sinn und Nutzen von Bildererzählungen. Auf einem leeren Grundstück, das nicht gepflegt ist, in der Sprache der Vermesser "Unland" genannt, lebt ein Wasserbüffel. Ist es nicht ein Kennnzeichen moderner Kunst, für sich stehen zu wollen, ungefüllt von Zweckdeutungen und damit fern vom Alltag? Der hiergenannte Wasserbüffel - die Bildliteratur? - kann Rat geben, wenn der- oder diejenige sich Zeit nimmt. Er zeigt in die richtige Richtung, aber teilt keine Details mit. So geben die Bildererzählungen beim Lesen und Betrachten einen Denkanstoß oder ein Gedankenbild mit, aber keine Anleitung für ein anderes Leben. Sie lesen sich mit dem größtem Gewinn, wenn kein Gewinn erwartet wird, aber die Fragen des Lebens Leser und Leserinnen um den Kopf schwirren und dem Herzen keine Ruhe lassen.
Und so kann der Sammelband als eine Quelle bunter und vielseitiger Anregungen verstanden werden. Mit ihnen lässt sich ein neuer Blick auf die Bildererzählungen Shaun Tans richten. Dabei kommt es zu Entdeckungen: wie ein Blick ins Weltall, bei dem dann unerwartet die Erde ins eigene Gesichtsfeld drängt.
[Thomas Bitterlich]

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ThoBi; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 29.10.2021

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