Die Fundsache

Autor*in
Tan, Shaun
ISBN
978-3-551-51725-8
Übersetzer*in
Schönfeld, Eike
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Tan, Shaun
Seitenanzahl
32
Verlag
Carlsen
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Hamburg
Jahr
2021
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Ein Ich-Erzähler findet ein Ding, ein ganz unmögliches, das in der funktionalen, wohl geordneten Welt keinen Platz findet, aber doch irgendwo sein muss, weil es zu groß ist, um einfach zu verschwinden. Komplizierte Aufgabe für einen, der Mitleid empfindet, auch und besonders für große, unmögliche Dinge.

Beurteilungstext

„Es passierte alles vor ein paar Sommern an einem stinknormalen Tag am Strand. Viel war nicht los. Ich war wie immer unermüdlich mit meiner Kronkorkensammlung beschäftigt und blieb ohne besonderen Grund stehen. Da sah ich das Ding zum ersten Mal.“ So beginnt die Erzählung eines Jungen oder jungen Mannes, der ein bisschen krumm geraten und altertümlich gekleidet mit einem langgezogenen Schädel über etwas schlendert oder schlurft, was er „Strand“ nennt, was wir aber unmöglich als Strand erkennen, denn Strände, das wissen wir aus eigener Anschauung, eigener Fußfühlung oder aus der TUI-Werbung, sind mit Sand bedeckt und nicht mit Beton versiegelt, auch nicht von Röhren durchbohrt, denen übelriechende Gase entweichen, sondern weich und warm und schön. An Stränden wollen wir Muscheln sammeln und ärgern uns über jeden Kronkorken, der uns mit seinen Zacken in die Zehen sticht. Bei Shaun Tan, dem Spezialisten für kindgerechte Dystopien, ist der Strand ein Industrierevier, in das sich das Ding, eine Mischung aus rotem Haus, Kochtopf und Einsiedlerkrebs verlaufen hat, und vom Ich-Erzähler gerettet werden muss. Die beiden Wesen – junger Mann und rotes Ding - werden Freunde und spielen, was man so spielt, wenn es nur Müll gibt, mit dem man spielen kann. Bis der junge Mann das Ding, von dem er annimmt, es könne einsam sein, mit nach Hause nimmt, wo seine Eltern vor dem Fernseher sitzen und überhaupt nichts bemerken, bis sie auf die Fundsache aufmerksam gemacht werden. „Es hat dreckige Füße!“, kreischte Mama. „Es könnte alle möglichen Krankheiten haben“, warnte Papa. „Bring es dahin zurück, wo du es herhast“, verlangen beide wie aus einem Mund. „Es ist allein“, sagt der Ich-Erzähler und zieht los, um eine Bleibe für das Ding zu finden. Die meint er auch im Bundesamt für Fundsachen, einem großen grauen Gebäude ohne Fenster, gefunden zu haben, doch „Das Ding machte ein kleines, trauriges Geräusch“, weshalb er solange weitersucht, bis er endlich den richtigen Ort gefunden hat, und zwar „in einem dunklen kleinen Spalt hinter einer anonymen Straße. Ein Ort, von dem man nichts wusste, außer man suchte danach.“ Was wir am Ende sehen, ist ein in Gelb, Ocker und Hellblau getauchter Spielplatz, von unbrauchbaren, kindlich bezaubernden Phantasiegestalten bevölkert, ein Paradies der Nutzlosigkeit inmitten einer von Industrie und Funktionalität zerstörten Welt.
Ein ungewöhnlich schönes und raffiniert gestaltetes Buch mit einer Botschaft, die seit den Zeiten der Romantik das Leiden an der Moderne, an Vereinzelung, Einsamkeit, Industrialisierung und Naturzerstörung zu heilen versucht, und ihren Ursprung im Evangelium nach Matthäus 18 zu haben scheint: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“ Dabei verzichtet Shaun Tan auf jede Form religiöser Süße und Besänftigung. Seine Bilder zeigen menschliche und menschenähnliche Wesen in einer seelenlosen Welt, sie zeigen Individuen, die keine Sehnsucht kennen, keine Träume träumen und keinen Widerstand mehr leisten können oder wollen. Nur ein junger krummer Mann hat noch den Mut, sich um ein ungewöhnliches Ding zu kümmern, damit es nicht in einem großen, grauen, fensterlosen Haus im Bundesamt für Krimskrams verkümmert.

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Diese Rezension wurde verfasst von bf; Landesstelle: Bremen.
Veröffentlicht am 01.07.2021

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