Eine Sache unter Brüdern

Autor*in
McCormick, Patricia
ISBN
978-3-596-80566-2
Übersetzer*in
Ohnemus, Günter
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
190
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2011
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
6,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Pubertät ist anstrengend: Toby Malone weiß nicht, wie er Mädchen ansprechen soll, sein Vater hat die Familie verlassen und die Mutter hat finanzielle Probleme. Das wäre schon genug, doch Toby weiß auch, dass sein älterer Bruder Jake Drogen nimmt und seine Situationen immer weniger unter Kontrolle hat. Soll er zu seinem Bruder halten oder muss er über alles, was er weiß, mit seiner Mutter reden? Toby schweigt - bis Jake unter Drogeneinfluss einen Autounfall hat.

Beurteilungstext

Nachdem die amerikanische Autorin Patricia McCormick in ihren Romanen "Cut" und "Verkauft" weibliche Protagonistinnen entwickelte, rückt sie mit der Coming-of-Age-Geschichte "Eine Sache unter Brüdern" einen 13-jährigen Jungen und seine Beziehung zum älteren Bruder Jake und jüngeren Bruder Eli in den Mittelpunkt. Der Nähe zum problemorientierten Jugendroman bleibt sie dabei treu: Ging es in "Cut" um Selbstverletzung und in "Verkauft" um Menschenhandel und Zwangsprostitution, so fokussiert sie in "Eine Sache unter Brüdern" Drogenkonsum und Drogenmissbrauch.
Dabei gelingt es ihr gut, die Drogenthematik in die Darstellung einer durchschnittlichen Pubertät zu integrieren. Es geht um Freundschaft und Schwärmereien, um Schule und Sport, um den Wunsch, nicht mehr als Kind wahrgenommen zu werden, gleichzeitig aber auch um das verstörende Wissen, noch nicht zur Welt der Erwachsenen zu gehören. Durch die Wahl der Ich-Perspektive sowie durch die Selbstironie des Protagonisten werden die Gefühle des pubertierenden Tobys einerseits ernst genommen und nachvollziehbar gemacht, durch die Selbstironie des Protagonisten können Leserinnen und Leser anderseits aber auch Distanz einnehmen. Wenn Toby zum Beispiel bemerkt, dass er sich manchmal in Gegenwart von Mädchen benimmt, als ob er "einen IQ wie irgendein einzelliges Wesen" (S. 93) hätte, so kann das sowohl Identifikation stiften oder das Mitgefühl wecken - in beiden Fällen ist es aber schwer, den humorvollen und oft hilflosen Toby nicht gern zu haben.
Mit diesem emphatischen Blick nähert sich die Autorin auch dem Thema des Drogenmissbrauchs. Das Besondere ihrer Darstellung besteht dabei in der ungewöhnlichen Perspektive, denn nicht der Protagonist selbst hat ein Suchtproblem, sondern sein Bruder. Damit vollzieht Patricia McCormick auch eine Themenverschiebung: Es geht nicht primär um die Erfahrung von Rausch und Abhängigkeit, sondern vielmehr um Sorge und Verantwortung. Vorgestellt wird ein falscher Weg des Umgangs mit einem von Sucht betroffenen Menschen: Verschweigen. In der Übersetzung des Romans wurde dieser Akzent bereits im Titel deutlich gesetzt: Suggeriert der Originaltitel, "My Brother`s Keeper", eine reife und sichere Überlegenheit dem Bruder gegenüber, so macht der deutsche Titel deutlicher, dass es um das Hüten eines Geheimnisses oder genauer um einen Schweigekomplott unter Brüdern geht. Dass dieser Umgang mit dem Problem letztendlich verstärkend wirkt, macht die eindrückliche und provozierende Botschaft des Romans aus.
Diese Botschaft braucht keine rigorose Strenge und keinen erhobenen Zeigefinger. Wenn Toby seinem kleinen Bruder Eli den Glauben an den Osterhasen lässt, dann zeigt er eine andere - und zwar eine verantwortungsbewusste - Form der Unehrlichkeit als in den Situationen, in denen er sein Wissen um Jake vor der Mutter verbirgt. Patricia McCormick bietet also keine einfachen Antworten. Sie weist auch keine Schuld zu, denn selbst wenn Toby sicher durch Ehrlichkeit Schlimmeres hätte verhindern können, so entzieht sie ihm nicht die Empathie. Sie zeigt Verständnis für die Unerfahrenheit und Unsicherheit eines Pubertierenden, zeigt diesem - und damit auch den Lesenden - aber gleichzeitig Alternativen auf. Es geht ihr also nicht um Verurteilung und Belehrung, sondern um ein von Empathie getragenes Aufzeigen unterschiedlicher Handlungsoptionen. Diese Sensibilität macht die Erzählung glaubwürdig.
"Eine Sache unter Brüdern" ist kein Buch, das einem mit gut gemeinten Ratschlägen und einfacher Moral die Leselust nimmt.
Für Leserinnen und Leser, die viel Spannung mögen, empfiehlt sich der Roman jedoch weniger. Der Autorin gelingt zwar die einfühlsame Darstellung von Emotionen, Überraschungen auf der Handlungsebene bleiben aber überwiegend aus und der Ausgang der Handlung ist ebenso vorhersehbar wie das Handeln einzelner Figuren. Der Roman wird deshalb wohl auch nur Jugendliche ansprechen, die gerne realitätsnahe und problemorientierte Bücher mit nachvollziehbaren Konflikten lesen und gleichzeitig an der Drogenproblematik Interesse zeigen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Gl.
Veröffentlicht am 01.01.2010

Weitere Rezensionen zu Büchern von McCormick, Patricia

McCormick, Patricia

Der Tiger in meinem Herzen

Weiterlesen
McCormick, Patricia

Eine Sache unter Brüdern

Weiterlesen
McCormick, Patricia

Verkauft

Weiterlesen
McCormick, Patricia

Der Tiger in meinem Herzen

Weiterlesen
McCormick, Patricia

verkauft

Weiterlesen
McCormick, Patricia

Verkauft

Weiterlesen