Du bist zu schnell

Autor*in
Drvenkar, Zoran
ISBN
978-3-608-93623-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
288
Verlag
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2003
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
19,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Val sieht, was andere nicht sehen: Menschen, die sich schneller bewegen als andere, die nicht real zu sein scheinen. Ist sie psychisch krank? Oder wird sie wirklich von unheimlichen Menschen verfolgt, die selbst vor Mord nicht zurückschrecken? Mit Hilfe ihres Freundes Marek versucht sie dem Geheimnis der "Schnellen" auf die Spur zu kommen - ohne zu ahnen, in welche Tiefen der menschlichen Seele sie dabei vordringen müssen.

Beurteilungstext

Wie sehr man durch die paratextuellen Hinweise des Klappentextes bei einer Lektüre beeinflusst werden kann, zeigt sich besonders eindrücklich an dem neuen Roman von Zoran Drvenkar. Ein "rasanter Thriller" wird da angekündigt, "der meisterhaft die Verletzlichkeit und Zärtlichkeit einer gefährdeten Frauenpsyche auslotet": hier wäre weniger ganz sicher mehr (und gut) gewesen. Ohne Zweifel handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um eine solide erzählte Geschichte, welche die Aufmerksamkeit des Lesers ganz im Stil eines Stephen Kings zu fesseln versteht und, nachdem die letzten Wörter gelesen sind, ein unbehagliches Gefühl hinterlässt. Inwieweit man allerdings dabei die Welt einer "gefährdeten Frauenpsyche" kennen lernen kann, ist fraglich.

Die Erzählung beginnt rasant, auf einer Autobahn in Richtung Berlin. Natürlich hat die eigentliche Geschichte von Val und Marek bereits früher begonnen, auch wenn keiner von beiden so richtig sagen kann, wann genau. Vielleicht bei Vals Drogenrausch, als sie zum ersten Mal die "Schnellen" sieht und schließlich in einer Hamburger Psychiatrie erwacht? Oder Jahre später, als Val und Marek sich nach einer Party kennen lernen, überrascht von der ungewohnten Nähe, die sie zu empfinden und zu geben bereit sind? Vielleicht beginnt die Geschichte aber auch in dem Moment, als Marek aus Neugier und Sorge über das seltsame Verhalten seiner Freundin zwei ihrer bunten Pillen schluckt, ohne die sie nie das Haus verlässt. Die starken Medikamente sollen die Welt der "Schnellen" von Val fernhalten, denn nur während eines psychotischen Schubs erlebt sie diesen unglaublichen Moment, in dem die Welt den Atem anzuhalten scheint: Alles um sie herum wird langsamer, ihre Sinne sind hypersensibel und sie kann die besonderen Menschen sehen, die sich schneller als andere durch diese seltsame Welt bewegen. Als Val ihre beste Freundin Jenni ermordet in der Badewanne auffindet und eine anklagende Botschaft am Spiegel liest, muss sie erkennen, dass sie einen Fehler gemacht hat, als sie die "Schnellen" unterschätzt hat. Gemeinsam mit Theo, Jennis Freund, versuchen Marek und Val den "Schnellen" eine Falle zu stellen. Am Ende jedoch müssen sie erkennen, dass der eingeschneite Bauernhof, wo sie ihren Plan in die Tat umsetzen wollen, zu einer Falle für sie selbst geworden ist.

Konsequent und erzählerisch äußerst intensiv stellt sich der Wechsel der Perspektive bei jedem Kapitel dar. Das Dreieck zwischen den Protagonisten, das sich durch den ständigen Wechsel von Nähe und Distanz zu einer jeweiligen Person sehr dynamisch gestaltet, strebt unaufhaltsam dem klassischen Showdown entgegen. In Anbetracht der Vielzahl an mystischen Kino-Thrillern der letzten Jahre kommt das Ende sicher nicht für jeden Leser überraschend, dennoch verliert der Roman aufgrund der sorgsam gestalteten Charaktere und der wohl überlegten Eingrenzung der erzählerischen Umgebung an keiner Stelle seine Spannung und Intensität. An einigen wenigen Stellen könnte der Leser zwar innehalten und nach dem persönlichen Hintergrund der Protagonisten oder dem weiteren Verlauf einer angedeuteten Geschichte fragen, deren Potential im Hintergrund zu lauern scheint, dennoch macht gerade diese Unschärfe in der Erzählung ihren besonderen Reiz aus.

"Böse und erschreckend menschlich" - So lautet ein weiterer Kommentar des Klappentextes. Böse ist der Thriller, weil er grandios mit den Urängsten des Menschen spielt: die Angst vor dem Alleinsein oder der Zurückweisung aufgrund der eigenen Andersartigkeit, die Angst, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren oder einem anderen Menschen zu vertrauen. Wie bereits in seinem vorherigen Roman "Sag mir, was du siehst" gelingt es Drvenkar den Leser in Abgründe zu ziehen, in deren Tiefen sich die Realität und die Fiktion bis zur Unkenntlichkeit vermischen. Während der Wechsel der Erzählperspektive in dem Vorgänger noch stark konstruiert erscheint und die Anstrengung, keine Sekunde der Erzählung beim Übergang in eine andere Perspektive zu verlieren, stark an die Gepflogenheiten des Werbefernsehens erinnert, liest sich "Du bist zu schnell" wesentlich entspannter. Zum Einen mag dies daran liegen, dass das Buch weniger sprachliche Mängel aufweist, zum Anderen erscheint die Erzählstruktur konzentrierter und stilistisch sicherer.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RD.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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