Die wilden Schwäne

Autor*in
Andersen, Hans Christian
ISBN
978-3-96372-030-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Lomaev, Anton
Seitenanzahl
48
Verlag
Wunderhaus Verlag
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Dresden
Jahr
2020
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,98 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Eine wunderschön ausgestaltete Bilderbuchfassung des Märchens von Hans Christian Andersen.

Beurteilungstext

Der russische Bilderbuchillustrator Anton Lomaev hat im kleinen und sehr jungen Wunderhausverlag mit "Die kleine Meerjungfrau", "Rotkäppchen und der Wolf", "Das tapfere Schneiderlein" und "Der kleine Muck" nun ein fünftes Märchenbilderbuch veröffentlicht. Alle diese Bilderbücher sind wunderschön, und insbesondere "Rotkäppchen und der Wolf" inszeniert das Märchen in besondere Weise, indem es auf der Bühne eines Wandertheaters aufgeführt wird.
Lomaevs opulente Bilder, die die Märcheninhalte romantisch-realistisch umsetzen, wirken auf den ersten Blick etwas überladen, sind jedoch einen zweiten Blick wert, der immer wieder Überraschendes, Neues, Interpretatives offenbart und damit dem Text eine neue Tiefe verleiht.

Aber zunächst zum Erzähltext: Hans Christian Andersens Märchen "De vilde Svaner" erschien 1838 und ist früh von einem unbekannten Übersetzer ins Deutsche übertragen worden. Der Text des Bilderbuches folgt eng dieser Textfassung: Ein König hatte 11 Söhne und eine Tochter, Elisa. Als die Mutter stirbt, verwünscht die neue Königin die 11 Prinzen in Schwäne. Als Elisa groß ist, macht sie sich auf die Suche nach ihren Brüdern, findet sie und kann sie dadurch retten, dass sie aus Brennnesseln 11 Hemden strickt und dabei schweigt - eine lange und mühsame Arbeit, während der sie einen König heiratet und als Hexe verurteilt wird. Auf dem Weg zum Scheiterhaufen kann sie das 11. Hemd (fast) vollenden, rettet die Brüder und wird selbst gerettet. Andersen schmückt Teile spannend aus, liebt bisweilen das Schildern von Details und ist auch einer feinen Ironie nicht abgeneigt, die durchaus auch als zeitpolitische Kritik gelesen werden kann. So zum Beispiel am Anfang, als das Leben der Königskinder beschreiben wird: "Die elf Brüder [...] gingen mit dem Ordensstern auf der Brust und dem Säbel an der Seite in die Schule. Sie schrieben mit Diamantgriffeln auf goldene Tafeln und lernten ebenso gut auswendig, wie sie lasen; man konnte gleich hören, dass sie Prinzen waren."

Parallelen von Andersens Text zu anderen Märchen (Grimms "Die sechs Schwäne", das Motiv der bösen, eifersüchtigen Schwiegermutter aus "Schneewittchen", aber auch zu englischen und irischen Sagen) sind sicherlich auf die Lektüren Andersens zurückzuführen. Eine besondere Rolle spielt auch in diesem Märchen Andersens der christliche Glaube: Das Mädchen betet, bittet Gott um Hilfe und wird erhört. Der Glaube ist fest verankert. Anders aber die Institution Kirche: Der Erzbischof persönlich misstraut dem Mädchen und führt den Hexenprozess.

Lomaevs Illustrationen setzen das Erzählte in opulenten Bildern um, zeigen es in einer romantisierten Welt des 19. Jahrhunderts, geprägt von Naturgewalten. Auf dem Titelbild steht das Mädchen auf einem Felsen am Meer. Pose und Umgebung erinnern an Caspar David Friedrichs "Wanderer überm Nebelmeer". Farben werden üppig als Stimmungsbarometer eingesetzt: Fröhliche Farben am Anfang und Ende, düstere in den gefahrvollen Situationen. Meist stehen Figuren im Mittelpunkt der Bilder, ihr Minenspiel und die Gestik sind ausdrucksstark und bedeutungsvoll. Auch wenn die Bilder den Text zu begleiten scheinen, sind immer wieder überraschende Details zu erkennen: Mehrfach taucht eine rätselhafte Figur auf: Halb Ziegenbock, halb Landsknecht und mit Sense in der Hand. Die Gesichter der Volksmenge am Ende der Geschichte sind ähnlich denen der Bauern bei Pieter Bruegel - auch hier sind Bildzitate zu finden. Neben den großformatigen farbigen Illustrationen gibt es immer wieder Zeichnungen, die Nebenhandlungen oder Nebenorte aufnehmen. So sind Lomaevs Bilder nicht nur Begleitschmuck zum Text, sondern Teil des Erzählten, nehmen aus dem Text etwas auf, interpretieren den Text, spielen mit ihm und bereichern so das Märchen. Der erste Eindruck als fast kitschiges Bilderbuch wird bei genauerer Betrachtung durch die Irritationen gebrochen.

Lomaevs Bilderbücher sind wirklich lohnende Werke. Und so dürfen wir gespannt sein, welche Märchen noch folgen. Auf der russischen Website können wir es schon ahnen, denn es gibt auf Russisch schon "Der standhafte Zinnsoldat", "Das hässliche Entlein" und "Der gestiefelte Kater".

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 27.11.2020

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