Die letzte Reise-Janusz Korczak und seine Kinder

Autor*in
Cohen-Janca, Irène
ISBN
978-3-942787-55-0
Übersetzer*in
Jacoby, Edmund
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Quarello, Maurizio A.C.
Seitenanzahl
72
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
Ort
Berlin
Jahr
2015
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Es ist der September des Jahres 1940, als der jüdische Doktor Janusz Korczak mit seinen rund 200 Waisenkindern in das Warschauer Ghetto umsiedeln muss. Inmitten des ganzen Elends gibt er den Kindern Trost und Hoffnung. Sogar auf ihrer letzten Reise in das Lager Treblinka lässt er sie nicht allein.

Beurteilungstext

Am 29. September des Jahres 1940 bricht für die jüdischen Waisenkinder aus Warschau eine schwere Zeit an. Gemeinsam mit ihrem Pan Doktor, dem berühmten polnischen Arzt Janusz Korczak, müssen sie ihr Haus in der Krochmalna-Straße verlassen, um in das Warschauer Ghetto umzuziehen. Mit erhobenem Haupt brechen die Kinder und ihr Beschützer auf. Am Eingang zum Ghetto wird ihnen von den Deutschen jedoch ihr Wagen mit Kartoffeln gestohlen, der sie für einige Zeit vor dem Verhungern beschützen sollte. Deshalb bricht der Doktor am nächsten Morgen ganz allein und in seiner polnischen Offiziersuniform zum Palais Blank auf, in dem die Deutschen Quartier genommen haben. Er fordert dort die gestohlenen Kartoffeln zurück. Obwohl die Deutschen zunächst von dem Doktor beeindruckt sind, bleibt er für sie am Ende nur ein alter und unverschämter Jude. Sie sperren den Doktor für mehr als einen Monat in das Gefängnis. Als er zurück ins Waisenhaus kommt, erkennen die Kinder ihn fast nicht wieder: Er ist krank und braucht sogar einen Gehstock. Obwohl er Witze über seine Zeit im Gefängnis macht, wissen die älteren Kinder genau, dass es ihrem geliebten Pan Doktor dort schlecht ergangen sein muss. Nach und nach wird die Lage im Ghetto immer dramatischer. Das Gebiet für die Juden wurde noch weiter verkleinert, sodass die Waisenkinder 1941 erneut umziehen müssen. Obwohl das Ghetto verkleinert wurde, schicken die Nazis immer mehr Juden hinein. Es gibt kaum noch Nahrung und die Toten auf den Straßen sind schon zum alltäglichen Anblick geworden. Trotz der Krankheiten und der Not sorgt der Pan Doktor dafür, dass es seinen Waisenkindern nicht an Hoffnung fehlt. Er unterrichtet sie heimlich in Hebräisch und lässt sogar kleine Theaterstücke aufführen. Am 5. August 1942 kommen die Deutschen genauso überraschend wie immer in das Ghetto und treiben die Menschen auf den Straßen zusammen. In einem langen Zug ziehen die Kinder des Waisenhauses zum Umschlagplatz, wo die Züge fahren. Der Pan Doktor ist bei ihnen, obwohl ihm in einem Brief die Freiheit versprochen wurde, weil er früher ein berühmter Arzt war. Für ihn ist jedoch klar, dass er die Kinder nicht allein lassen kann. Deshalb begleitet er sie auch bei ihrer letzten Reise zum Lager nach Treblinka, um mit ihnen ermordet zu werden.
Die Autorin Irène Cohen-Janca widmet sich mit ihrem Buch „Die letzte Reise-Janusz Korczak und seine Kinder“ einem sehr bedrückenden Thema: Der Vertreibung der polnischen Juden in das Warschauer Ghetto sowie den Massenermordungen durch die deutschen Besatzer. Erzählt wird die Geschichte des berühmten polnischen Arztes aus der Sicht des jüdischen Waisenjungen Simon, der gemeinsam mit den anderen Kindern in dem Waisenhaus des Doktors lebt. Während Simon die Ereignisse während ihres Umzugs und Lebens im Ghetto schildert, berichtet er gleichzeitig auch von früheren Zeiten, wie den Sommerferien auf dem Land, und dem liebevollen Umgang des Pan Doktors. Umgeben von dem Elend des Ghettos wollte dieser, dass sein Waisenhaus ein Ort der Hoffnung ist. Trotzdem stellt sich Simon, der zu den älteren Jungen in der Gruppe der Waisen gehört, die beklemmenden Fragen, ob er und die anderen Kinder das Kriegsende noch erleben und wieder Polen wie alle Anderen sein werden. Ganz zum Ende berichtet Simon auch von dem Tag der letzten Reise und ihrem stolzen Auszug in Richtung Umschlagplatz. Als Leser kann man an dieser Stelle heraushören, dass der Junge bereits eine sehr genaue Vermutung über das Ziel und den Ausgang der plötzlichen Reise hat.
Durch die Erzählung des Elends aus der Sicht eines Kindes wird die Geschichte noch eindrucksvoller und bedrückender. Allerdings befördert die Autorin mit dieser Erzählweise auch das Verständnis und lässt die Geschichte noch tiefer wirken. Traumatische Erlebnisse im Ghetto wechseln sich mit Rückblicken in die Vergangenheit sowie Berichten über den liebevollen Pan Doktor ab. Somit erhalten die Leser einen guten Einblick in das Leben der Waisenkinder sowie die bedeutende Arbeit, die Janusz Korczak geleistet hat und die ihn am Ende sogar sein Leben kostete. Hinzu kommen noch ein Brief und Gedichte, die sich durch die kursive Schrift deutlich von der restlichen Erzählung abheben. Eines von diesen Gedichten ist Ausdruck der Grausamkeit mit der die Nazis grundlos gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen vorgingen, obwohl es Menschen wie sie waren. Das zweite Lied beschreibt auf tief berührende Art den Tod der Waisenkinder, die nie erwachsen werden sollten. Ebenfalls hervorgehoben sind mehrere große und plakative Zeilen, die eine Betonung bestimmter Aussagen bewirken. Obwohl die Erzählung durch die verschiedenen Schriftarten und dem Bericht aus der Sicht eines Beteiligten bereits sehr fesselnd und beklemmend ist, schaffen es die detailreichen Zeichnungen von Maurizio A.C. Quarello noch, dass sich dieser Eindruck verstärkt. Alle Zeichnungen sind in braun und schwarz gehalten und verbinden sich dadurch mit Simons Beschreibung des Ghettos, in dem es so gut wie keine Farbe mehr gibt sowie der immer stärker werdenden Hoffnungslosigkeit der Menschen. Sämtliche Zeichnungen sind sehr groß und nehmen eine oder sogar zwei Buchseiten ein. Der Text wurde zum Teil über die Zeichnung gedruckt und wird durch sie noch betont. Jede Zeichnung ist gut durchdacht und unterstützt perfekt die Handlung. Die Waisenkinder und der Doktor erhalten durch sie ein Gesicht. Besonders beeindruckend ist die große Zeichnung des Auszugs der Waisenkinder aus dem Ghetto. Diese nimmt vier ganze Seiten ein. Um das Bild nicht zu unterbrechen, sind zwei der Textseiten deshalb aufklappbar.
Zusätzlich zu den vielen tollen Zeichnungen und der bewegenden Geschichte befindet sich auf der letzten Seite des Buches noch ein Verweis auf das Leben des Janusz Korczak. Als Kinderarzt und Pädagoge stellte er fest, dass Kinder aktiv an ihrer Erziehung mitwirken und sich selbst zu dem machen, was sie werden. Auf einiger seiner Ideen baut die UN-Kinderrechtskonvention auf, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1989 annahm.
Alles in Allem handelt es sich bei „Die letzte Reise-Janusz Korczak und seine Kinder“ um ein „Bilderbuch“ für ältere Kinder und auch Jugendliche - anders als das typische Bilderbuch. Es enthält bereits sehr viel Text und wird durch den Erzählstil mit Gedichten und Rückblenden eher zu einem literarischen Kunstwerk als einem normalen Kinderbuch. Auch die Zeichnungen unterstützen die bedrückende Stimmung, weshalb das Buch erst für ältere Kinder geeignet ist und dann eventuell mit der Unterstützung von einem Erwachsenen gelesen werden sollte. Für ältere Kinder und auch Jugendliche ist das Buch jedoch sehr zu empfehlen, da es den Leser anrührt und auch zum Nachdenken anregt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ThL- unibi.
Veröffentlicht am 01.07.2015

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