Der kleine Mann und die kleine Miss

Autor*in
Kästner, Erich
ISBN
978-3-85535-633-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Würbs, Kai
Seitenanzahl
208
Verlag
Atrium
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Zürich
Jahr
2019
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Nachdem die Entführung von Mäxchen Pichelsteiner ein glückliches Ende genommen hat, sitzen die beiden verantwortlichen Halunken Bernhard und Otto in Untersuchungshaft. Mäxchen ist als nur fünf Zentimeter großer Artist im Zirkus Stilke zusammen mit dem Zauberkünstler Professor Jokus von Pokus inzwischen so weltberühmt geworden, dass sogar Mr. Drinkwater, ein sehr bedeutender Filmproduzent, aus Hollywood anreist, um die Rechte an einer Verfilmung von Mäxchens Lebensgeschichte zu erwerben.

Beurteilungstext

Erich Kästner hat den Kinderroman „Der kleine Mann und die kleine Miss“ 1967 als Fortsetzung der Geschichte „Der kleine Mann“ (1963 erschienen) geschrieben. Warum nun eine Neuauflage? Der vorliegende zweite Band wurde komplett neu illustriert von Kai Würbs, und das ist ihm auf grandiose Weise gelungen. Nicht nur versprühen die ganz- oder doppelseitigen Illustrationen eine enorme Lebendigkeit, in jedem Bild steckt eine Vielzahl an Details. Die Bilder in den oft sehr kräftigen Farben haben eine intensive Wirkung, und es macht einfach große Freude, sie anzuschauen. Dabei dominieren sie nicht gegenüber dem Text, sondern korrespondieren mit ihm auf fabelhafte Weise.

Bei der Darstellung der einzelnen Personen legt der Illustrator großes Gewicht auf eine ausgeprägte Gestaltung des Gesichtsausdrucks. Er überzeichnet häufig die Nasen und die Gesichtsformen. Auf diese Weise verleiht er den Personen ihre charakteristischen Eigenschaften, sodass sie auch dadurch, wie bei Kästner üblich, den „Guten“ oder den „Bösen“ zuzuordnen sind.
Das Buch eignet sich von der Größe und der Druckart sehr gut als Vorlesebuch, das zudem einen beträchtlichen Umfang von 188 Seiten hat. Schönes, festes Papier der Seiten macht dieses Buch zusätzlich zu etwas Besonderem.

Das in grünblau und türkis gehaltene Cover zeigt eine fliegende Taube (auf der Vorderseite) mit den beiden Kindern Mäxchen und Mielchen auf ihrem Rücken. Dieses fröhliche Bild versprüht eine fantastische Leichtigkeit, und auch die farbintensive Seenlandschaft auf der Rückseite des Buches hat einen hohen Aufforderungscharakter, das Buch in die Hand zu nehmen.

Um den Leser*innen den Einstieg in die Fortsetzung des ersten Bandes „Der kleine Mann“ zu erleichtern, beschreibt ein Erzähler zu Beginn der neuen Geschichte ein Gespräch mit dem Jungen Jakob Hurtig. Jakob erinnert ihn daran, dass er eine Fortsetzung von Mäxchens Abenteuern versprochen hatte. In dieser Unterhaltung lernen die Leser*innen schon viele Beteiligte kennen, aber der „nicht wissende Neuling“ kann sie natürlich nicht gut einordnen. Deshalb gibt es vorweg neun Bilder mit den wichtigsten Personen aus dem ersten Band, zu denen der Erzähler informative Bilduntertexte verfasst hat, um damit dem „Nochnichtkenner“ des ersten Bandes einen guten Start in die neue Geschichte zu ermöglichen. Das ist eine gelungene Idee und macht Lust auf die angekündigte Fortsetzung.

Jedem der neun Kapitel sind stichwortartige Sätze über den folgenden Inhalt vorweggestellt. Damit erreicht der Autor einerseits, dass er den Leser*in neugierig auf den Fortgang des Geschehens macht und ihm/ihr andererseits einen gewissen Spielraum für die eigene Fantasie über möglicherweise eintretende Geschehnisse lässt.
An mehreren Stellen meldet sich ein Erzähler zu Wort, indem er die Leser*innen direkt z.B. mit „Liebe Kinder“ oder „So, wertgeschätzter Leser“ anspricht. An anderen Stellen kommentiert der Erzähler sogar das Geschehen, z.B.: „Von den Geschäften will ich nur das Notwendigste erzählen, weil ich weiß, dass sich Kinder dafür nicht sonderlich interessieren“ oder „Doch was soll ich euch mit solchen abenteuerlichen Geschichten langweilen.“ 1)
„Diese Einmischung des Erzählers wird auch als „Kästnern“ bezeichnet“. 2)

Kästners Sprache ist einerseits klar und verständlich, andererseits aber auch gespickt mit Ironie, vielen Wortspielereien und verstecktem Humor. Das stellt durchaus hohe Anforderungen an die Auffassungsgabe gerade der jüngeren Leser*innen (Altersangabe: ab 6 Jahre).

Wie für E. Kästner typisch sind die Namen der Personen außergewöhnlich: Der Zauberkünstler heißt Professor Jokus von Pokus, die Trampolinspringerin Rosa Marzipan, der Filmproduzent Mr. John Foster Drinkwater, der Zirkusdirektor Brausewetter, der Kommissar Steinbeiß und es gibt viele andere besondere Namen mehr. Auch sie unterstreichen den fantastischen Charakter des Romans.

Betrachtet man den Inhalt des Nachfolgebandes, so ist zweierlei anzumerken: So dynamisch, spannend und spektakulär wie im ersten Band geht es hier nicht mehr zu: Zwar können Professor Jokus von Pokus, seine Verlobte Rosa Marzipan und der kleine Mann Mr. Drinkwater die Filmrechte an Mäxchens Lebensgeschichte für die horrende Summe von zwei Millionen Dollar verkaufen und Kommissar Steinbeiß begibt sich auf abenteuerliche Jagd nach dem dubiosen Señor Lopez und seiner Bande in Südamerika. Diese Ereignisse nehmen entsprechend Raum ein. Dazu kommt dann der ganz besondere Aufenthalt vom kleinen Mann und dem Professor im Königreich Breganzona bei König Bileam, seiner Gemahlin und seinen beiden Kindern Judith und Osram. Doch erst am Ende des achten Kapitels (!) erfährt Mäxchen von der gleichgroßen Emily Simpson, später Mielchen genannt, die kurz darauf dann im neunten und letzten Kapitel (!) mit ihrer Mutter aus Alaska anreist. Beide werden schließlich in die Familie aufgenommen.

Genau genommen ist der Titel des zweiten Bandes irreführend, da Max und Mielchen nur sehr wenig Zeit miteinander verbringen, gemessen am Umfang der vorausgegangenen Geschichte. Und trotzdem lohnt sich die Lektüre dieser fantastischen Geschichte, die mit so viel Humor, Warmherzigkeit und Wortwitz erzählt wird und zudem eine gute Portion Krimi-Elemente enthält. Vor allem garantieren die genialen Illustrationen einen optischen Genuss. Es ist rundherum ein wirklich schönes Buch.

1) Vgl. Zamolska, A. (2015): Kästner, Erich: abrufbar unter http://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/autoren/815-kaestner-erich (01.03.2020)
2) Zamolska, A., ebenda

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von MlMs; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 02.04.2020

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