Das Lied von Vogel und Schlange

Autor*in
Collins, Suzanne
ISBN
978-3-7891-2002-2
Übersetzer*in
Hachmeister, SylkeKlöss, Peter
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
607
Verlag
Oetinger
Gattung
Buch (gebunden)Fantastik
Ort
Hamburg
Jahr
2020
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
26,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Ein sensationeller Erfolg war Suzanne Collins‘ Tribute von Panem-Trilogie, die in ihrer genialen Mischung aus Sci-Fi-Dystopie, Gesellschaftskritik und Liebe vom Jugendlichen bis zum Erwachsenen weltweit als Buch und Film begeisterte.
Mit großem Abstand liegt nun der vierte Band vor, der chronologisch weit vor der Panem-Trilogie liegt und Snows Geschichte erzählt.

Beurteilungstext

Es ist das Jahr der zehnten Hungerspiele, die jährlich zur Erinnerung an den blutigen Aufstand der „Distrikte“ gegen das „Kapitol“, durchgeführt werden. Aus jedem Distrikt werden ein Junge und ein Mädchen gelost, die in der Arena auf Leben und Tod gegeneinander kämpfen. Die barbarischen Wettkämpfe werden von beinahe allen Bürgern verabscheut und nicht als Strafe für die Aufstände wahrgenommen. Zudem werden die Tribute wie Tiere behandelt, sie sterben mehr an Erschöpfung und Hunger als in den Kämpfen. Coriolanus Snow ist zur Zeit der zehnten Spiele 18 Jahre alt und noch nicht der gnadenlose und grausame Präsident. Die Vermarktung der Hungerspiele wird gerade entdeckt. Collins stellt Snows Entwicklung in den Konflikt von Menschlichkeit und Unmenschlichkeit. Das deutet sie bereits mit den philosophischen Zitaten von Hobbes, Locke, Rousseau, Wordsworth und Mary Shelley zu Anfang des Buches an.
Wie ist es möglich, dass die Hungerspiele zum bejubelten TV-Ereignis werden und von Sponsoren begehrt sind?
Sind Menschen von Grund auf grausam? Ist der Mensch zum friedlichen Leben fähig?
Und wie wird aus einem empathischen Jüngling ein gefühlloser Diktator?

Collins lässt den 18-jährigen Snow aus seiner Perspektive von der Nachkriegszeit, dem Hunger und der Armut erzählen. Er entstammt einer Elite-Familie des alten Panem, die alles im Krieg verloren hat. So ordnet er sein Tun dem einen Ziel unter ein Stipendium zu erhalten, um seiner elenden Situation zu entkommen. Bislang gelingt ihm die Täuschung durch Raffinesse und vorgetäuschter Nonchalance. Den Kohlgeruch verbirgt er hinter dem Duft der Rosen aus dem Dachgarten seiner senilen Großmutter. „Snow lands on top!“
Seine Chance findet er als Mentor der zehnten Hungerspiele. Erstmalig werden Mentoren für die 24 Tribute bestimmt und ein Stipendium für den Sieger-Mentor ist verlockend. Lucy Gray Baird aus dem 12. Distrikt wird seine Tribute, sein Schicksal und seine erste Liebe. Die außergewöhnliche Lucy besticht durch Klugheit, Charme und vor allem mit ihrem betörenden Gesang. Ähnlich wie Katniss in der Trilogie ist sie die Figur, die Snow zu Entscheidungen drängt, die moralische Frage immer neu stellt und zeigt, wozu Menschen fähig sind. Sie verkörpert mit ihrer Herkunft das Symbol des freiheitlichen Lebensstils und bringt dies ebenso wie Katniss mit ihrem Gesang zum Ausdruck. Allerdings steht sie nicht für die Entrechteten wie Katniss. Coriolanus erweist sich anfangs als mitfühlender Mentor, die anderen Mentoren stehen eher ratlos vor ihren zum Tod geweihten Tributen. Er betrachtet Lucy als Mensch und seine empathischen Reaktionen zeigen einen sensiblen jungen Mann. Allmählich wird ihm klar, dass Lucy sehr wohl eine Chance hat und das ist auch seine Chance. Zeitgleich dienen die jugendlichen Mentoren als Ideenschmiede für das Kapitol, um die Breitenwirkung der Spiele zu erhöhen. Und Coriolanus will sich profilieren, die Wetteinsätze der Sponsoren sind seine Idee und damit legt er den Grundstein für die Spiele, wie sie der Leser aus der Trilogie kennt.
Lucy gewinnt tatsächlich die Spiele. Sein Betrug (Rattengift und Schlangenmanipulation) wird entdeckt, kein Studium erwartet ihn, sondern die Verbannung als Friedenswächter im 12. Distrikt. Er erkennt nicht, dass er die ganze Zeit der unterhaltsame Spielball der wahnsinnigen Oberspielmacherin Dr. Gaul und des Dekans Highbottom ist.
Neben Lucy zeigt sich an der Figur des Sejanus Plinth, wie sich Coriolanus zum Diktator Snow entwickelt. Sejanus sieht in Coriolanus einen Freund, einen Weg- und Sinngefährten in seinem Wunsch nach Würde, Freiheit und gegen Gewalt. Naiv in seiner Auflehnung gegen das System orientiert er sich an die Rebellen und wird zur tragischen Figur. Coriolanus hingegen benutzt ihn und zögert nur kurz um ihn zu verraten.
Collins gestaltet mit diesen Figuren um Snow herum eine plausible Ebene, um Snows Konflikte und sein Machtstreben zu offenbaren. Aber es werden auch mögliche Handlungsalternativen nicht ausgespart. Er hätte sich auch anderes entscheiden können. Mit Gaul diskutiert er die Frage nach Chaos, Herrschaft und Gesetz. Und ganz nebenbei erteilt sie ihm die tiefgreifende Lektion, die ihn zum Tyrannen machen wird.
Collins Stil ist erneut geprägt von einem rasanten, unterhaltsamen Schreibstil. Sie greift gekonnt die Fäden aus der Trilogie auf und verknüpft diese mit furiosen Ideen. Bei aller Perfidität des Themas und der Motive bietet sie ein nachdenkliches Lehrstück zu Krieg, Macht und Machtmissbrauch.
Die Kenntnis der Trilogie ist entscheidend für den Lesegenuss. Es macht Spaß, die Geschichte rückwärts zu verstehen und verschiedene Details wiederzuerkennen. Für Panem-Fans ein tiefes, unverzichtbares Leseerlebnis.

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Diese Rezension wurde verfasst von Han; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 02.08.2020

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