Bianca

Autor*in
Moeyaert, Bart
ISBN
978-3-446-26618-6
Übersetzer*in
Bach, Bettina
Ori. Sprache
Holländisch/Niederlä
Illustrator*in
Seitenanzahl
144
Verlag
Hanser
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2020
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Die zwölfjährige Bianca gilt als schwer zu händeln. So richtig nachvollziehen kann Bianca das nicht. Denn eigentlich hat sie nur nicht immer Lust zu sprechen. Wenn sie sich zu Hause überflüssig fühlt, zieht sie sich unbemerkt in ein verwildertes Versteck im Garten zurück. Das passiert ziemlich oft, weil ihr kleiner Bruder mit nur einem halben Herzen manchmal besonders viel Fürsorge benötigt. Als eines Nachmittags eine befreundete Schauspielerin zu Besuch ist, durchlebt Bianca ein Gefühlschaos.

Beurteilungstext

Beeindruckend an diesem Roman ist vor allem das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit: Obwohl die Geschichte aus insgesamt 60 Kapiteln besteht, vollziehen sich die dargestellten Ereignisse an einem einzigen Nachmittag. Trotzdem können die Leserinnen und Leser völlig in das Innenleben der heranwachsenden Ich-Erzählerin eintauchen. Denn dem Autor gelingt es durch seine poetische Sprachgewalt, dass nur wenige Stunden des geschilderten Alltags ausreichen, um zu erkennen, dass sich Sichtweisen auf Personen, Lebensweisen und zwischenmenschliche Situationen sehr voneinander unterscheiden können. Vieles hängt mit der jeweiligen Perspektive zusammen und mit den Wertmaßstäben, mit denen die Menschen Personen oder Sachlagen bewerten.

Biancas Mutter zum Beispiel ermahnt ihre Tochter immer wieder, dass sie Situationen falsch einschätzt: „Dann hast du mal wieder falsch gedacht.“ (S. 125). Solche Äußerungen tragen vermutlich dazu bei, dass Bianca ihre Einschätzung von der Familie und der sozialen Welt am liebsten mit sich selbst ausmacht. Sie zieht sich zurück und beobachtet das Familienleben aus der sicheren Entfernung ihres heimlichen Gartenverstecks. Still ist sie dabei nur äußerlich und erkennt, dass besonders ihre Mutter dieses Verhalten mit einer inneren Stille zweifellos gleichsetzt: „Ist sie je auf die Idee gekommen, dass ich nicht wirklich still bin, sondern nur still tue?“ (S. 111)
Nachdem ihr Vater ausgezogen ist, weil er eine jüngere Partnerin hat, lebt Bianca mit ihrem neunjährigen Bruder Alan und ihrer Mutter zusammen. Alan hat nur ein halbes Herz und leidet deshalb immer wieder unter Erschöpfungszuständen, in denen er von einer Maschine beatmet werden muss. Die Sorge um seine Gesundheit nimmt so viel Platz ein, dass für Bianca nicht mehr viel Entfaltungsraum bleibt. Sie glaubt selbst fest daran, dass sie in der Familie nicht gewünscht ist und schneidet sich selbst sogar heimlich aus allen Familienfotos heraus.

Als Alan eines Nachmittags von einem Freund Besuch bekommt, glaubt Bianca ihren Augen nicht zu trauen: Seine Mutter ist die bekannte Schauspielerin aus der TV-Soap „Hier bei uns“. Bianca ist ein großer Fan, schaut viele Sendungen mehrmals und dokumentiert die Klatschkolumnen der Fernsehzeitschrift. In der Gegenwart der bekannten „Billie“ traut sich Bianca aber zunächst nicht so richtig aus sich heraus. Erst als sie sich selbst als Perdón vorstellt, fühlt sie sich sicher. Im Schutzmantel dieser imaginierten Figur, die sie gern wäre, tritt sie der Schauspielerin gegenüber, evoziert damit aber bei ihrer eigenen Mutter erneutes Kopfschütteln.

Nur Billie weiß Biancas Charakter zu schätzen und erklärt dem Mädchen die Bedeutung ihrer scheinbaren Sonderrolle: „Du bist ein sonderbares Mädchen. [...] Das ist ein Kompliment. Sonderbar heißt: spannend. Und spannend heißt: wichtig.“ (S. 82). Diese Botschaft gilt als Leitmotiv für diesen Roman. Andersartigkeit bedeutet nicht, überflüssig zu sein. Im Gegenteil: Gerade die unangepassten Seiten Biancas haben ihren Reiz. Genau deshalb sollte dieses Buch von jungen Mädchen gelesen werden und es hat einen berechtigten Platz im Unterricht verdient.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 02.04.2020

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