Anders frei als du

Autor*in
Feher, Christine
ISBN
978-3-570-30900-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
287
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Malina konvertiert zum Islam, zu einem freundlichen und friedlichen Islam, mit dem sie aber dennoch in ihrem Umfeld aneckt.

Beurteilungstext

Zehntklässlerin Malina stammt aus einer religionsfernen Familie; die alleinerziehende Mutter legt viel Wert auf geistige Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben. Malina kleidet sich gern schick bis sexy, kennt viele Leute, hat einen unbeschwerten Umgang mit Jungs, fühlt sich wohl in ihrer Heimatstadt Berlin. Doch dann kommt sie in eine Sinnkrise. Sie fühlt sich verloren in einem Leben, das ihr viele Freiheiten lässt. Eher zufällig stößt sie auf den Islam und ist fasziniert von Ideen wie einer Familie, die zusammen hält, Gebeten, in denen man zur Ruhe kommt, oder der Abkehr von oberflächlichen Äußerlichkeiten. Sie freundet sich mit ihrer Mitschülerin Nesrin an, einem ruhigen, strenggläubigen Mädchen, das sich sehr gut in ihrer Religion auskennt. Zunehmend lebt auch Malina nach islamischen Regeln. Sie kleidet sich langärmlig, isst kein Schweinefleisch mehr, geht nicht mehr mit ihren Freunden ins Schwimmbad, streitet sich nicht mehr mit ihrer Familie. Religion wird zu ihrem wichtigsten Gesprächsthema, das wiederum ihre alten Freunde gar nicht interessiert. Malina hält zunächst geheim, dass sie konvertiert ist. Doch als sie ihrem langjährigen Just-friends-Freund bedeutet, sie dürfe sich nicht mehr mit ihm allein in einem Raum aufhalten, als sie ihren Alltag an festen Gebetszeiten ausrichtet und beginnt, ein Kopftuch zu tragen, muss sie sich erklären. Sie stößt auf erbitterten Widerstand ihrer Mitschüler und ihrer Mutter. Malina sucht sich in einer Jugendgruppe in der Moschee einen neuen Freundeskreis. Sie fühlt sich in ihrer neuen Religion, ihrer neuen Kleidung und ihrer neuen Rolle geborgen und sieht keinerlei Anlass, daran etwas zu ändern.
Christine Fehér beschreibt Malinas Weg in die Religiösität als eine von Malina selbst als nahezu ausschließlich positiv empfundene Veränderung. Festgelegte Regeln und Moralvorstellungen geben ihr Halt. Sie geniest den friedlicheren Umgangston in ihrer Familie. Das Kopftuch führt dazu, dass die von ihr als unangenehm empfundene Anmache durch Männer ausbleibt, von der im Übrigen vorher keine Rede war. Ihr neuer Freundeskreis ist viel tiefsinniger und netter als der alte. Sie kann sich besser auf die Schule konzentrieren und hat ihr Zimmer aufgeräumt. Die Autorin stellt den Islam undifferenziert als Ursache all dieser Verbesserungen dar. Malina erlebt jedoch auch soziale Ausgrenzung. Sie macht beim gängigen Freizeitprogramm ihrer Clique nicht mehr mit, und deshalb gehört sie bald auch nicht mehr dazu. Für Malina ist das ein Preis, den sie eben bezahlen muss und den sie leichten Herzens bezahlt. Die Autorin wählt die Perspektive des außenstehenden Erzählers, und der verzichtet darauf, deutlich zu machen, dass auch nichtreligiöse Menschen inneren Frieden finden, rücksichtsvolle Umgangsformen pflegen oder ihr Zimmer aufräumen können. Malina versteckt ihren Körper, anstatt ihn zu genießen, sie versteckt sich hinter Regeln, anstatt ihre gesellschaftlichen und staatsbürgerlichen Rechte zu nutzen, sie reduziert sich auf ihre Rolle als Muslimin. Dass dieses Verhalten vielleicht gar nicht so erstrebenswert ist, kommt im Buch nicht zur Sprache.
Positiv an der Erzählung ist sicher, dass in Zeiten von islamistischem Terror und der zunehmenden Thematisierung des Islam in der Gesellschaft dieses Buch den “freundlichen und friedlichen Islam” darstellt, der vermutlich von der Mehrheit der Muslime in Deutschland gelebt wird. Nesrin weist immer wieder auf religiöse Grundfesten wie zum Beispiel die absolute Freiwilligkeit des Glaubens hin. Allerdings zeichnet die Autorin ein sehr einseitiges Weltbild, das den Islam fast schon verherrlicht und negativen Aspekten kaum Raum gibt. Die Menschen, die Malinas Entscheidung kritisieren, werden als uninformierte Ignoranten charakterisiert. Malina gibt staatsbürgerliche Selbstverständlichkeiten freiwillig auf, für die Frauen über ein Jahrhundert gestritten haben, etwa, sich zu treffen wo und mit wem sie möchte, schwimmen zu gehen, Kleidung zu tragen, die sie selbst für angemessen hält, oder eben nicht Gehorsam leisten zu müssen. Sie unterwirft sich freiwillig Regeln, die im Widerspruch zu den Ideen einer freien, gleichberechtigten und selbstverantwortlich denkenden und handelnden Staatsbürgerin stehen, auf die unsere Gesellschaft baut. Diese Entscheidung Malinas ist diskussionsbedürftig, was allerdings im Buch kaum gemacht wird. Diese undifferenzierte Darstellung ist auch der Grund für die Bewertung des Buches als “eingeschränkt empfehlenswert” - im Übrigen schränkt sie auch Freude am Lesen erheblich ein.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von spra.
Veröffentlicht am 01.04.2016

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