Am Meer wird es kühl sein

Autor*in
Ellis, Deborah
ISBN
978-3-7026-5761-1
Übersetzer*in
Rapp, Brigitte
Ori. Sprache
kanadisches Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
119
Verlag
Jungbrunnen
Gattung
Ort
Wien
Jahr
2004
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
13,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die 13-jährige Shauzia versucht allein in Peschawar/Pakistan mit Arbeit und Betteln zu überleben, aber landet im Gefängnis. Kurzzeitig wird sie von einer kanadischen Familie aufgenommen, aber wieder ins Flüchtlingscamp gebracht, aus dem sie aufgebrochen war. Am Ende geht sie mit einer Gruppe Frauen zurück nach Afghanistan, um dort in einem Flüchtlingslager zu helfen.

Beurteilungstext

Shauzia ist nach einer abenteuerlichen Flucht in Jungenkleidern aus dem Kabul der Taliban über die Berge nach Pakistan geflüchtet, wo sie in der Hoffnungslosigkeit eines Flüchtlingslagers landet. Aber sie gibt ihren Traum von einem Weg nach Frankreich nicht auf, verläßt das Camp, versucht sich mit ihrem Hund allein in der Stadt Peschawar mit Arbeit und Bettlen durchzuschlagen. Obwohl sie sich intensiv um Arbeit bemüht, vor nichts zurückschreckt, ist es nicht möglich, allein mit Arbeit zu überleben. Die Konkurrenz durch andere Flüchtlinge, die sich gegenseitig unterbieten, ist zu groß. Nachdem sie im Gefängnis gelandet ist, dort ihr mühsam gespartes Geld abgenommen bekommen hat, findet sie kurzfristig Aufnahme bei einer kanadischen Familie, die sie nach einem Zwischenfall, der die Unterschiedlichkeit beider Lebensweisen heftig klarmacht, wieder ins Flüchtlingscamp bringt. Am Ende steht ein erneuter Aufbruch mit einer Gruppe engagierter Frauen, die als Krankenschwestern auf der afghanischen Seite der Grenze Hilfe leisten wollen.
Wie schon in den beiden ersten Bände (Die Sonne im Gesicht, 2001 und Allein nach Mazar-al-Sharif, 2003) schildert die kanadische Autorin gestützt auf eigene Erfahrungen und Gespräche in pakistanischen Flüchtlingslagern sehr lebendig die Situation von afghanischen Mädchen als Folge des jahrzehntelangen Krieges und der Talibanherrschaft.
Obwohl das Buch an Szenen des ersten Bandes, die Freundschaft zwischen Parvana und Shauzia in Kabul und ihre Verabredung, sich in zwanzig Jahren auf dem Eifelturm in Paris zu treffen, anküpft, ist es eine eigenständige Erzählung, die die beiden vorhergehenden Bände nicht unbdingt voraussetzt.
Shauzia ist eine sehr kraftvolle Figur, die sich nicht in die Hoffnungslosigkeit des Lagerlebens fügen kann, wie sie sich in Kabul nicht den Plänen ihrer Familie fügte, gegen Geld an einen alten Mann verheiratet zu werden. Obwohl sie dank Mrs. Weera, einer ehemaligen Sportlehrerin aus Kabul, die das Witwenlager leitet, genug zu tun hat, rebelliert sie dagegen, dass ihr keine Möglichkeit zum Geldverdienen gegeben wird. Sehr anschaulich und selbst für Kinder, die Derartiges nicht kennen, gut nachvollziehbar, werden ihre Versuche geschildert, zunächst durch jede Art von Arbeit, dann auch durch Müllsammeln und Betteln sich und den Hund durchzubringen und noch Geld zu sparen. Ihr Wunsch nach Gemeinsamkeit mit anderen Kindern läßt sie einige Tage (Kap.5) mit den Müll sammelnden Kindern verbringen, bei denen sie sich ohne Scheu mit dem Anführer prügelt, aber auch lernt, wie man bei den großen Hotels die Müllkübel nach Essbarem durchwühlt. Durch ihren Hund lernt sie die kanadische Familie kennen, die ihr aus dem Gefängnis hilft und sie zunächst bei sich aufnimmt. In diesen Szenen (Kap.6) wird die Korruptheit der Polizei, die unerträgliche Situation inhaftierter Kinder (Kap.7) beängstigend deutlich wie auch die Gefährdung der Kinder durch skrupellose Erwachsene - Organhandel wird von den Kindern kurz angesprochen, ohne dass sie den Begriff nennen. Im Haus der kanadischen Familie findet Shauzia Schlaf, Versorgung, Freundlichkeit, aber keine Ruhe, da sie nicht weiß, wie lange sie bleiben darf (Kap.9). Als sie das erste Mal allein zuhause ist, läßt sie alle Bettler ein und verteilt an sie Lebensmittel, Spielzeug, glühend voller Freude darüber, dass sie etwas verschenken kann und in der Überzeugung, im Sinne der Familie zu handeln. Die Familie kehrt in ein in ihren Augen geplündertes und beschmutztes Haus zurück, und Shauzia wird wieder ins Flüchtlingscamp gebracht. In der Gegenüberstellung von westlichem Lebensstandard zu Shauzias Überlebenswillen, der Anteilnahme der Familie für Shauzia bis zu dem Punkt, als ihr Leben durch Shauzias Handeln beeinträchtigt wird, liegt eine besondere Stärke des Buches, da Kinder gerade an diesen Stellen sich überlegen müssen, wie sie sich in einer vergleichbaren Situation verhalten würden, nachdem sie sich beim Lesen durchaus mit Shauzias abenteuerlichem Leben haben identifizieren können.
Die Text ist in der Übersetzung durch B.Rapp lebendig und flüssig zu lesen. Die Beschränkung auf Shauzias Perspektive wirkt glaubwürdig.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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