Adile. Ein Mädchen aus Istanbul

Autor*in
Tuckermann, Anja
ISBN
978-3-941411-37-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Barth-Musil, Ulrike
Seitenanzahl
87
Verlag
Klett Kinderbuch
Gattung
Ort
Leipzig
Jahr
2011
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
9,90 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Istanbul 1971 - Die siebenjährige Adile kommt mit ihren Eltern und ihren beiden Brüdern nach Berlin. In Deutschland ist alles anders und neu für die Gastarbeiterfamilie. Adile hat nicht nur Schwierigkeiten, sich in der Schule und der fremden Umgebung einzugewöhnen, auch innerhalb der türkischen Familie gibt es große Probleme. Doch Adile findet eine Freundin.

Beurteilungstext

Unaufdringlich und sachlich schildert Anja Tuckermann, die als freie Schriftstellerin in Berlin lebt, die Lebensgeschichte von Adile aus Istanbul, die sie im Nachwort als persönliche Schulfreundin vorstellt. Es handelt sich also um einen wahren Tatsachenbericht, der sich als Kinderreportage verstanden wissen will (wie sämtliche Bücher der Reihe von Klett Kinderbuch, in der das Buch erschienen ist). Eröffnet wird der Blick auf das Schicksal einer türkischen Familie in der Zeit, als die ersten Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Das Buch verweist somit auf die Wurzeln vieler türkischer Kinder, die heute in der dritten Generation in der BRD leben.
Für Adile ist die Übersiedlung in das fremde Land nicht nur schwer, weil sie die Sprache nicht versteht, sie sich in der Schule hilflos und allein fühlt. Das eigentliche Drama spielt sich zu Hause ab, da der überforderte Vater in Berlin beginnt, seine Frau und die drei Kinder zu misshandeln und zu schlagen. Die Ehe der Eltern wurde in der Türkei arrangiert. In der Fremde entlädt sich all der Frust und die Wut des Vaters, der es kaum ertragen kann, dass sich seine Frau in Deutschland besser und schneller zurechtfindet und die Sprache leichter lernt als er selbst. Seine Unberechenbarkeit und die Gewalttaten bestimmen den Alltag der Gastarbeiterfamilie. Doch Adile ist nicht nur den Schlägen des Vaters ausgesetzt, auch der Schulalltag in der deutschen Grundschule ist geprägt von Brutalitäten. Hier sind es deutsche Jungen, die die türkischen Kinder drangsalieren und schlagen. Angesichts all dieser Belastungen fangen Adile und ihr Bruder Erol an, nachts ins Bett zu nässen, was noch mehr Stress verursacht, da hiermit wiederum die Mutter überfordert ist.
Aber es gibt auch Hoffnung: Adile findet eine Freundin, ein deutsches Mädchen namens Mara und lernt nach und nach die deutsche Sprache so gut, dass sie Bestleistungen in der Schule erbringt. Als sie in der 5. Klasse ist, stirbt der Großvater, und die Eltern schicken Adile für fast zwei Jahre in die Türkei, damit sie der Großmutter Gesellschaft leistet. Zwar hat Adile auch hier Schwierigkeiten, sich nach der langen Zeit in Deutschland wieder einzugewöhnen, aber letztlich geht es ihr doch gut in Istanbul, obwohl ihr die Schule dort schwerer fällt als in Deutschland. Als sie schließlich wieder nach Berlin geht, ist sie verändert, stärker geworden, unabhängiger. Das Buch endet damit, dass Adile sich zunächst ihrer Freundin Mara anvertraut und schließlich einer Lehrerin, womit sie sich einen Weg hinaus aus der häuslichen Gewalt bahnt.
An dieser Stelle findet sich ein stilistischer Bruch: Die gesamte Geschichte ist an die Perspektive Adiles gebunden, nur der letzte Satz wechselt unvermittelt zur Sicht Maras: ""Sie sah durch die matte Scheibe Adile mit der Lehrerin sprechen"" (S. 80). Dieser Bruch wirkt abrupt und wenig nachvollziehbar. Insgesamt erscheint der betont sachliche Stil des Buches fragwürdig. Die Mischung aus Tatsachenbericht und Roman wirkt wenig gelungen. Weiterhin kollidieren die an Comics erinnernden Illustrationen mit unseren westlichen Se-Gewohnheiten. Sie wirken düster und bedrückend, konsequent angepasst an die bedrückende Geschichte und den sachlichen Stil. Zudem wecken sie beim Betrachter die Erinnerung an die 70er Jahre.
Obwohl die Geschichte von Adile auf wahren Begebenheiten beruht und die Autorin den Versuch unternimmt, möglichst sachlich zu erzählen, wirkt der Text insgesamt konstruiert und zuweilen moralisch-belehrend. Für den schulischen Einsatz ist er daher nur bedingt zu empfehlen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von kku.
Veröffentlicht am 01.01.2010

Weitere Rezensionen zu Büchern von Tuckermann, Anja

Tuckermann, Anja; Zaeri, Mehrdad; Krappen, Uli

Der Mann, der eine Blume sein wollte

Weiterlesen
Tuckermann, Anja

Vier Ochsen - Ein Märchen aus Eritrea

Weiterlesen
Tuckermann, Anja

Vier Ochsen

Weiterlesen
Tuckermann, Anja

Vier Ochsen. Ein Märchen aus Eritrea (Tigrinisch-Deutsch)

Weiterlesen
Tuckermann, Anja

Der Mann, der eine Blume sein wollte

Weiterlesen
Tuckermann, Anja

Ein Volk, ein Reich, ein Trümmerhaufen

Weiterlesen