Wer lesen kann, der hat gut lachen
- Autor*in
- Preuß, Gunter
- ISBN
- 978-3-89603-465-6
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Ensikat, Klaus
- Seitenanzahl
- 32
- Verlag
- LeiV
- Gattung
- BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
- Ort
- Leipzig
- Jahr
- 2015
- Lesealter
- 10-11 Jahre12-13 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 12,90 €
- Bewertung
Teaser
Die Gedichte von Gunter Preuss sind schon besonders, sie rekonstruieren, dekosntruieren und konstruieren das Lesen in vielfältiger und zum Teil subversiver Weise. Dieser gehaltvolle Charakter wird durch die Bilder Ensikats interpretiert, kommentiert und erweitert.
Beurteilungstext
Gunter Preuss ist eigentlich ein typischer Vertreter der DDR-Lyrikerszene gewesen: Aus einfachen Verhältnissen kommend wurde er zunächst Fernmeldetechniker, versuchte sich in verschiedenen Bereichen, bis er sich mit Literatur seinen Unterhalt verdienen konnte. Wer so frei ist, kann allerdings in einem autoritären System wie der DDR nicht leben, ohne anzuecken, trotz einer grundsätzlich positiven Haltung zu der Idee einer sozialistischen Gesellschaft.
Diese Widerständigkeit und Widerspenstigkeit findet sich auch in dem hier besprochenen Band, in dem sich die Gedichte um das Lesen in engem und weitem Sinne drehen. Denn ja: Natürlich ist Lesen etwas Positives: "Ich zieh in meine Lesehöhle ein,/ in einem Schrank oder unter den Tisch./ Taschenlampe an - und in ihrem Schein/ wird's mit einem Buch fantastisch." (S. 14). Aber Lesen ist eben doch nicht leicht: "Jetzt aber ist das Lesen dran,/ am besten fangen wir gleich an./ Wer zieht denn da ein Schafsgesicht?/ Ja, ohne Mühe geht es nicht." (S. 2).
Widerspenstigkeit zeigt sich, wenn etwa durchbuchstabiert wird: "traSk - kartS - raSkt [...] Stark" (S. 6). Wer kann das schon vortragen? Auch holpert mancher Vers ein wenig – nicht, weil Preuss es nicht besser kann (nehm ich an), sondern weil es holpern soll, uns ein wenig rütteln, aufmerksam machen.
Und so sind die Gedichte schwer zuzuordnen: Sind sie wirklich (alle) für Kinder? Oder für Lehrer*innen? Oder für normale Erwachsene? Einzeln mögen die Gedichte im Deutschunterricht einen Platz haben, Kindern Freude an Lyrik geben, wenn sie merken, dass bei einem zweiten Zugang ein tieferer Sinn entdeckt werden kann oder wenn das Sprechen des Gedichts mehr Spaß macht als das stille Lesen.
Ensikats Bilder machen den Zugang nicht leichter, aber interessanter. Das auf Vor- und Nachsatzblatt abgebildete Labyrinth, in das hinein beschriebene Papiere segeln, ist sicher ein erster Kommentar zu Preuss' Gedichten. Auch in den anderen Illustrationen setzt Ensikat nicht einfach um, was das Gedicht bildlich nahelegt, sondern kommentiert, arbeitet dem Text zu oder auch ihm entgegen. Setzt eigene und eigenwillige Bilder hinzu und schafft Verbindungen. So werden bildlich immer zwei Gedichte miteinander verbunden dargestellt. Die Welten sind fiktional, nicht real, wenn auch sehr realistisch gezeichnet. Auch hier gilt das Prinzip des zweiten, dritten, vierten Blicks, um immer wieder neu zu entdecken, neuen Sinn zu finden, mit dem Text neu in Verbindung zu treten.
Man kann nicht anders sagen: Text und Bild arbeiten kongenial miteinander, ein Gesamtkunstwerk ist entstanden. Nur schwierig bleibt die Adressierung: Gibt es Kinder, die sich in einer Bücherei dieses Buch aussuchen, darin lesen, darin denken, sich versenken? Oder legen sie es weg? Gibt es Erwachsene, die auf der Suche nach Lyrik im Buchladen sich dieses Buch (aus der Kinderabteilung?) greifen und sich angesprochen fühlen, darin lesen, denken und neu interpretieren? Sicher ist eines: Für Bilderbuchsammler*innen ist das Buch ein Glücksfall.
Christoph Jantzen, AJuM Hamburg